Paritätischer: Sozialer Zusammenhalt in Deutschland nimmt ab

Paritätischer: Sozialer Zusammenhalt in Deutschland nimmt ab
Deutschland ist reich, aber der soziale Zusammenhalt nimmt ab. Zu dieser Einschätzung kommt der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem ersten Bericht zur sozialen Lage in Deutschland, den der Vorsitzende Rolf Rosenbrock am Donnerstag in Berlin vorstellte. Rosenbrock warf der Politik vor, nichts gegen die wachsende Ungleichheit zu unternehmen.

Im vorigen Jahr habe sich die Lage weiter verschlechtert. Auch der Koalitionsvertrag von Union und SPD gebe wenig Anlass zur Hoffnung, sagte Rosenbrock. Der Verband will künftig jedes Jahr im April einen, nach eigenen Angaben unabhängigen Sozialbericht vorlegen, der auf amtlichen Arbeitsmarktstatistiken, Daten über Sozialausgaben sowie Einkommens- und Vermögensstatistiken beruht. Er will damit ein Gegengewicht schaffen zur regelmäßigen amtlichen Berichterstattung über die wirtschaftliche Lage in Deutschland.

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Dem Bericht zufolge verbirgt sich hinter den volkswirtschaftlichen Erfolgsbilanzen eine fortschreitende Spaltung der Gesellschaft. Obwohl die Arbeitslosigkeit abnimmt und die Zahl der Erwerbstätigen einen Höchststand erreicht hat, wachse die Armut. Es steige auch der Anteil der Rentner, die Sozialhilfe beziehen, und der überschuldeten Privathaushalte. Zugleich konzentrierten sich enorme Vermögen in wenigen Händen.

Große Koalition kommt schlecht weg

Die Zahl der Erwerbstätigen hat dem Bericht zufolge zwischen 2008 und 2012 um knapp 1,4 Millionen zugenommen, die der sozialversicherten Beschäftigten erreichte einen Höchststand (knapp 29 Millionen), die der Minijobber und Leiharbeiter aber auch. Die Arbeitslosenquote sank im selben Zeitraum um einen Prozentpunkt auf 6,8 Prozent (2012). Die Zahl der Grundsicherungs- und Hartz-IV-Empfänger sank ebenfalls: von 2007 bis 2012 um rund 800.000 auf 7,25 Millionen.

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Zeitgleich stieg aber die Armutsquote seit 2008 fast kontinuierlich an, von 14,4 auf 15,2 Prozent. Die bisher geringe Altersarmut nimmt dabei laut Bericht besonders stark zu. Am stärksten zeigt sich die Ungleichheit demnach bei der Vermögensverteilung: Die unteren 20 Prozent der Haushalte hatten 2013 demnach durchschnittlich Schulden von 4.600 Euro. Eine wachsende Zahl von Menschen profitiere nicht von der guten wirtschaftlichen Entwicklung, sondern sei "dauerhaft abgehängt". Die reichsten zehn Prozent der Haushalte verfügten hingegen über ein Nettovermögen von durchschnittlich 1,15 Millionen Euro.

Gesetzliche Änderungen im Berichtsjahr 2013 hätten die Ungleichheit noch verstärkt, kritisieren die Autoren des Berichts. Rosenbrock nannte rückblickend auf die Vorgängerregierung die Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik und die gleichbleibend hohe Kinderarmut. Das Programm für 30.000 Langzeitarbeitslose, das Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nun auflegen wolle, lasse hoffen, bedeute aber noch keinen Kurswechsel. Im Gesundheitswesen trieben Union und SPD die gesellschaftliche Spaltung voran, weil alle künftigen Beitragssteigerungen allein den Versicherten aufgebürdet würden.

Auch die Rentenbeschlüsse der schwarz-roten Koalition kommen beim Paritätischen schlecht weg. Die Rente mit 63 sei ein Privileg für langjährig Versicherte über 50 und trage nichts zur Bekämpfung der Altersarmut bei. Sie sei ein Beispiel dafür, dass ein sozialpolitischer Beschluss nicht automatisch ein Beitrag zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sei, sagte Rosenbrock.