Dies geht aus einer Stellungnahme der Kommission zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hervor, die der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. Darin stellt die Kommission eine zentrale Vorschrift im Sozialgesetzbuch über den Ausschluss von EU-Zuwanderern von Hartz-IV-Leistungen infrage. Diese sei mit europäischem Recht nicht vereinbar, heißt es.
Sollten die europäischen Richter der Kommission folgen, so hätten Zuwanderer künftig deutlich bessere Chancen auf Sozialleistungen, selbst dann, wenn sie keine Arbeitsstelle suchen. In dem Verfahren geht es um eine 24-jährige Rumänin und ihren kleinen Sohn, die seit 2010 dauerhaft in Deutschland leben.
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Die Frau wohnte jahrelang bei ihrer Schwester in Leipzig und erhielt Kindergeld sowie einen Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt. Die Mutter, die lediglich drei Jahre die Schule besucht hatte, nahm keine Arbeit auf und beantragte Hartz-IV-Leistungen, was das Jobcenter ablehnte. Dagegen klagte die Rumänin. Das Sozialgericht Leipzig hatte den Fall im Juni vergangenen Jahres dem EuGH zur Klärung vorgelegt.
Die Kommission bemängelt insbesondere den generellen Ausschluss vieler EU-Ausländer von Hilfen im deutschen Sozialrecht. Nach den geltenden Regeln erhalten nur Arbeitnehmer und Selbstständige Hartz-IV-Leistungen, nicht aber Migranten, die aus anderen Gründen ins Land kommen.
"Auch bei Zuwanderern, die nicht aktiv nach einer Arbeit suchen, muss demnach der Anspruch auf Hartz IV geprüft werden", sagte die Professorin für Sozialrecht an der Hochschule Niederrhein, Dorothee Frings, der Zeitung. Die EU verlange in der Stellungnahme, jeden Fall einzeln zu beurteilen. Auch wenn es in dem Verfahren um eine Arbeitslose gehe, würde ein entsprechendes Urteil auch für Arbeitssuchende den Zugang zu Sozialleistungen erleichtern, sagte Frings.
Die Bundesregierung will dagegen grundsätzlich am Ausschluss von arbeitssuchenden und arbeitslosen Zuwanderern von Sozialleistungen festhalten. Dies hatte erst kürzlich das Bundesarbeitsministerium bekräftigt. Es will aufwendige Einzelfallprüfungen vermeiden.
Hintergrund der Debatte ist, dass für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien seit dem 1. Januar die volle Freizügigkeit innerhalb der EU gilt. Nach Zahlen des Bundesarbeitsministeriums ist bisher der Anteil der Rumänen und Bulgaren an allen Hartz-IV-Beziehern mit 0,6 Prozent sehr gering.