Vor zehn Jahren haben Fußballfans die Botschaft der Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslager Dachau aufgegriffen: "Nie wieder!" Das Bündnis aus Fangruppen, Vereinen, Verbänden, Institutionen und Einzelpersonen setzt sich seither dafür ein, eine Gedenkkultur zu fördern und sich gegen Diskriminierung in den Stadien zur Wehr zu setzen. So stellt die Initiative zum Erinnerungstag Texte zum Verlesen im Stadion bereit und gibt Anstöße für kreative Aktionen.
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"Alle arbeiten ehrenamtlich", betont der Sprecher der Initiative, Eberhard Schulz. Es sei das bürgerschaftliche Engagement von Menschen, "die den Fußball lieben, ihn aber demokratischer und menschenfreundlicher haben wollen". Der pensionierte Religionslehrer wertet es als Zeichen der Stärke der Bewegung, dass an der Versammlung in Frankfurt die beiden höchsten Repräsentanten des deutschen Fußballs teilnehmen: der Präsident des deutschen Fußball-Bunds (DFB), Wolfgang Niersbach, und der Präsident des Ligaverbands (DFL), Reinhard Rauball.
Dabei sei die Idee eines Erinnerungstags in Vereinen und Verbänden zunächst nicht überall auf offene Ohren gestoßen, berichtet der 73-Jährige. Der Anstoß kam aus Italien. Auslöser war ein Interview mit dem damaligen Sprecher der jüdischen Gemeinde in Rom, Riccardo Pacifici, der zum Holocaustgedenktag eine Kampagne in den italienischen Fußballstadien angeregt hatte. Diese Idee wurde 2004 von der Evangelischen Versöhnungskirche in Dachau aufgegriffen.
Der Anfang war mühsam
Sie verfasste einen Brief an DFB, DFL und die großen Fußballvereine - mit der Bitte, die Initiative zu unterstützen. Der Anfang sei mühsam gewesen. Doch: "Die Zeit war reif", sagt der Sprecher. Seither hätten sich immer mehr Vereine mit ihrer Geschichte während der NS-Zeit auseinandergesetzt - und an ihre vergessenen Fußballspieler erinnert, die ab 1933 ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden. "Das ist ein richtiger Aufbruch gewesen", berichtet Schulz.
Auch der Sprecher des Instituts für Fußball und Gesellschaft in Dortmund, Peter Schüngel, hebt hervor, dass die Bewegung wesentlich stärker geworden ist als erwartet. Allerdings seien die offiziellen Stellen immer noch sehr zurückhaltend. Offenbar gebe es zu viel Angst, in die Belange der einzelnen Vereine einzugreifen. "Da wäre noch viel mehr drin", sagt der Kommunikationswissenschaftler.
Bewusstsein wächst
Seiner Meinung nach müsste es zum Selbstverständnis jedes Vereins gehören, dafür zu sorgen, dass faschistisches Gedankengut aus den Fußballstadien verschwindet. Die Aktivitäten von Neonazis nähmen nicht zu, es wachse jedoch das Bewusstsein dafür. "Das ist sehr gut", sagt Schüngel. Positiv sei auch, dass die Einzelkämpfer in den Vereinen ihre antifaschistische Arbeit besser bündelten.
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Zum Jubiläum sollen nun alle zusammenkommen: Die Veranstaltung versteht sich als Plattform für Fans, Professoren, Ultras sowie Vereins- und Verbandsvertreter. Auf dem Podium sitzen auch namhafte Persönlichkeiten wie der ehemalige Nationalspieler Gerald Asamoah. 300 Teilnehmer, 100 mehr als erwartet, haben sich angemeldet. Auf dem Programm stehen Diskussionen, Zeitzeugengespräche, Workshops und Konzerte. Die Teilnehmer diskutieren unter anderem über die Lehren aus dem Nationalsozialismus, die Diskriminierung von Sinti und Roma in den Stadien sowie den Umgang mit Rassismus im Amateurfußball.
Im Februar wird Bilanz gezogen: War das Potenzial auf der Versammlung so groß, dass die Arbeit ausgebaut werden sollte? In diesem Fall kann sich Schulz vorstellen, dass die Initiative künftig - über den Erinnerungstag hinaus - antirassistische Aktivitäten noch stärker unterstützt.