TV-Tipp des Tages: "Die Spionin" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Die Spionin" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Die Spionin", 27. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Angeworben wird Vera von Schalenburg, als sie in Paris als Prostituierte in einem Edelbordell arbeitet. Ihr Führungsoffizier ist der charmante Hauptmann Dierks, weshalb die schöne Spionin und den schneidigen Hauptmann alsbald eine Affäre verbindet.

So kurz nach Weihnachten, und dann noch an einem Freitag kann und will die ARD garantiert keinen klassischen Kriegsfilm zeigen. Tatsächlich trägt sich das Drama zwar vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs zu, und es gibt auch das eine oder andere Opfer zu beklagen, doch das Weltgeschehen ereignet sich weitgehend im Hintergrund: Im Radio bellt Adolf Hitler, es werde zurückgeschossen, eine Zeitungsschlagzeile berichtet vom fehlgeschlagenen Münchener Attentat. Trotzdem ist der Krieg ständig präsent, denn die Titelheldin der Geschichte ist ohne ihr Dazutun zwischen die Fronten geraten. Das Drehbuch von Annette Hess ("Weissensee") orientiert sich an den Erlebnissen der Spionin Vera von Schalenburg. Authentische Details sind kaum überliefert; um so wilder sind die Mythen, die sich um ihr Leben ranken. Geschickt verknüpft die Autorin Fakten und Fiktion zum Porträt einer mutigen Frau, die sich kaum um Politik kümmert. Dass sie dennoch zunächst für die Nazis und dann als Doppelagentin auch noch für die Briten tätig wird, begründet Hess mit Erpressung: Erst droht die deutsche Abwehr, ihrem Sohn etwas anzutun, später wird der Junge aus dem gleichen Grund von den Engländern entführt.

Innerliche Distanz zum Nationalsozialismus

Darüber hinaus ist "Die Spionin" aber auch ein Liebesdrama: Angeworben wird Vera von Schalenburg, als sie in Paris als Prostituierte in einem Edelbordell arbeitet. Ihr Führungsoffizier ist Hauptmann Dierks, den Fritz Karl gewohnt charmant verkörpert, weshalb die schöne Spionin und den schneidigen Hauptmann alsbald eine Affäre verbindet. Restloses Vertrauen aber prägt die Beziehung nicht, zumal Vera zumindest innerlich auf Distanz zum Nationalsozialismus geht, als sie von den Gräueltaten der SS in Polen erfährt. Weil sie mal was mit einem Engländer hatte, der nun fürs Verteidigungsministerium arbeitet, soll sie sein Vertrauen gewinnen und Abwehrchef Canaris (Peter Prager) über die britischen Pläne der Seeverteidigung informieren. Doch sie wird enttarnt, und die Engländer drehen den Spieß rum.

Miguel Alexandre, vom dem zuletzt zwei Krimis zu sehen waren ("Die Wahrheit stirbt zuerst", ein "Tatort" aus Leipzig, sowie "Eine verhängnisvolle Nacht"), kehrt mit seinem jüngsten Werk zum historischen Drama zurück; in diesem Genre hatte er zuvor mit "Schicksalsjahre" sowie "Der Mann mit dem Fagott" herausragende Filme gedreht. Mit Rücksicht auf den Freitagssendeplatz und die Weihnachtszeit mag sich die vordergründige Dramatik der Geschichte in Grenzen halten, aber die Kriegszeit wird keinesfalls verharmlost, zumal die an der Weltgeschichte zunächst betont desinteressierte Heldin Vera nach und nach ein politisches Bewusstsein entwickelt. Einer der intensivsten Szenen des Films hat daher auch nur bedingt mit ihrer Arbeit zu tun: Als sie das erste Mal aus England zurückkehrt und ihr Sohn stolz von der Denunzierung eines jüdischen "Untermenschen" erzählt, rastet sie aus und versucht ihm klarzumachen, die Nazis seien die wahren Untermenschen.

Valerie Niehaus ist mit ihrem strahlenden Lächeln ein Garant dafür, dass man stets auf Seiten Veras ist; Kameramann Jörg Widmer lässt ihre blauen Augen noch blauer erscheinen. Die Bildgestaltung ist ohnehin ausgesprochen sehenswert. Die Innenaufnahmen sowie die Endsequenz sind kleine Kunstwerke. Auch Widmers wunderschöne Spätsommerbilder können allerdings nicht verhindern, dass der Schluss etwas unbefriedigend ist.