Herr Manzeschke, ist das Vertrauen in die Organspende unwiederbringlich zerstört?
Arne Manzeschke: Das ist ein sehr heftiger Vertrauensverlust. Er ist aber nicht unwiederbringlich, sondern ich sehe auch eine Chance. Seit vergangenem Jahr schicken die Krankenkassen an ihre Versicherten Aufforderungen, einen Organspendeausweis auszufüllen. Dadurch muss sich jeder Bürger frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen. Das heißt nicht automatisch, sich zum Spenden bereitzuerklären. Ich kann auch "Nein" ankreuzen. Die Entscheidung aber treffe ich nicht erst im Krankenhaus. Damit wird für den Fall der Fälle sehr viel Druck genommen, von den Ärzten und auch von den Angehörigen.
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Auch die Ärzte sind verunsichert, was die Spendenzahl weiter senkt.
Manzeschke: Die Verunsicherung der Ärzte besteht schon länger. So gibt es bei der Hirntoddiagnostik, die Voraussetzung für eine postmortale Organspende ist, seit längerem Diskussionen um die Sicherheit. Weltweit gibt es verschiedene Kriterien, wonach jemand für tot erklärt wird. Das wirft Fragen auf. Außerdem ergeben sich ethische Probleme, wo wissenschaftliche Kriterien des Hirntods mit alltagsweltlichen Vorstellungen vom Tod vermittelt werden müssen. Ärzte operieren an der Grenze von Leben und Tod - und da gibt es Unsicherheiten. Das ist ein Punkt, der diskutiert werden muss.
Weil Sie die ethische Seite ansprechen: Transplantationen retten Leben. Müsste Organspende nicht zur Bürgerpflicht werden?
Manzeschke: Zum Glück ist Organspende keine Bürgerpflicht! Dann wäre es ja keine Spende mehr. Ich bin sehr dafür, dass die Menschen sich in Deutschland weiterhin frei für oder gegen eine Organspende entscheiden können. Die beste Lösung ist, dass Organspende zu einer öffentlichen Angelegenheit mit transparenten und unabhängigen Informationen gemacht wird, ohne dass ein Klima entsteht, in dem sich Menschen genötigt fühlen. Das nämlich empfände ich als eine ganz gruselige Gesellschaft, in der ich nicht leben möchte.