"Wir beobachten wachsenden Antisemitismus, wachsenden Rassismus und mehr Fremdenfeindlichkeit", sagte Jagland in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er forderte die europäischen Regierungen auf, ihre Kräfte im Kampf für mehr Toleranz zu bündeln. Deutschland könne dabei eine Führungsrolle übernehmen. "Dort ist man sich bewusst, welche Gefahren die Feindlichkeit anderen gegenüber mit sich bringt", sagte Jagland.
In der vergangenen Woche hatte die EU-Grundrechteagentur Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, wonach jüdische Bürger einen wachsenden Antisemitismus wahrnehmen. "Wir haben das aus der Geschichte gelernt: Wenn die Juden unter Druck geraten, stimmt etwas mit der Gesellschaft nicht", sagte Jagland. Es sei auch eine "alte Geschichte Europas", dass in schlechten Zeiten Fremdes abgelehnt und zum Sündenbock erklärt werde.
###mehr-artikel###
Jagland sieht verschiedene Gründe für wachsende Fremdenfeindlichkeit in Europa. Ein Grund sei der Argwohn gegen eine wachsende Zahl von Einwanderern. "Manche denken, das bedroht uns, unsere Religion, unsere Kultur", sagte Jagland. Dazu komme, dass es heute durch das Internet viel einfacher sei, Hassreden zu verbreiten. Zudem nehme er einen wachsenden Nationalismus wahr. "Viele denken, die europäischen Institutionen haben sich zu sehr in einheimische Belange eingemischt", sagte der ehemalige norwegische Ministerpräsident. "Wenn man diese drei Dinge zusammennimmt und dazu noch eine Finanzkrise hat, kann die Fremdenfeindlichkeit ziemlich stark werden", mahnte er.
Jagland forderte die verantwortlichen Politiker dazu auf, die Debatte um Einwanderung zu versachlichen. Es sei ein Fakt, dass Europa Einwanderung brauche, um den Wohlstand zu sichern. In der Debatte um Einwanderung obsiegten aber oft die Emotionen.
Um Hass gegen Minderheiten oder Migranten einzudämmen, sprach sich Jagland für Gesetze aus, die offenen Rassismus, Holocaust-Leugnung oder andere Formen der Fremdenfeindlichkeit bestrafen. Zum Verbot politischer Parteien, wie es in Deutschland gegen die NPD angestrebt wird, äußerte er sich jedoch skeptisch. "Es hilft nicht viel. Die Anhänger gehen danach in den Untergrund oder organisieren sich neu", gab Jagland zu bedenken. Zu unterscheiden sei aber zwischen normalen politischen Parteien oder solchen, die Gewalt ausübten. Parteien mit verbrecherischen Zügen müssten auf jeden Fall verboten werden, sagte Jagland.