Das ZDF spart sich die Freien

Rausflug aus einer Tür.
Foto: kallejipp/photocase
Viele freie Mitarbeiter des ZDF haben Angst, rauszufliegen. Der Sender muss sparen, vor allem beim Personal.
Das ZDF spart sich die Freien
Beim ZDF mit seinen derzeit etwa 6000 Mitarbeitern rumort es. Bis 2016 muss der Sender rund 75 Millionen Euro einsparen. Davon sind freie Mitarbeiter besonders betroffen.
27.12.2012
Thomas Klatt

Frohe Zeit, Weihnachtszeit, nur für Journalisten nicht, so scheint es. Die Zeitungen in Deutschland schließen im gefühlten Wochenrhythmus: Frankfurter Rundschau und Financial Times Deutschland sind die prominentesten Sparopfer, auch der Berliner Verlag entlässt Leute. Selbst bei der sonst so prosperierenden Rheinischen Post ist von Stellenabbau die Rede. Hunderte Redakteure und freie Reporter stehen bald auf der Straße.

###mehr-artikel###

Da denkt man, wenigstens beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk müssten es die Kollegen noch gut haben. Doch weit gefehlt, beim ZDF mit seinen derzeit etwa 6000 Mitarbeitern rumort es gewaltig. Bis 2016 sollen bis zu 400 Stellen abgebaut werden. Besonders werden wohl die freien Mitarbeiter davon betroffen sein. Längst ist auch beim Zweiten Deutschen Fernsehen von prekären Arbeitsverhältnissen die Rede.

Das ZDF muss bis 2016 rund 75 Millionen Euro einsparen. Das verlangt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz KEF. Angesichts eines Etats von 1.486,2 Millionen Euro für Aufwendungen im Programmbereich allein für das Haushaltsjahr 2011 klingt das sehr wenig. Aber die KEF verlangt nicht etwa Kürzungen bei Sachtiteln, etwa dass billigere Fahrzeuge oder Studiotechnik einzukaufen wäre. Die Einsparungen müssen ausschließlich im Personalbereich erfolgen.

Nur noch halbe Tageshonorare

Damit gibt die öffentlich-rechtliche Finanzaufsicht einen so noch nie dagewesenen Einschnitt ins Programm und in die Redaktionsarbeit vor. Besonders freie Mitarbeiter drohen bald in prekäre Arbeitsverhältnisse abzurutschen, denn das ZDF hat der KEF vorgeschlagen, lediglich 35 Millionen bei den Festangestellten, aber den größeren Teil von 45 Millionen Euro bei den Freien einzusparen, die nicht unter dem Personal-, sondern unter dem Programmetat abgerechnet werden.

###mehr-links###

Betroffen sind dann vor allem freie Kameraleute, Cutter, Tontechniker, MAZ-Ingenieure, Redakteure im Nachrichtenbereich, Autoren und Realisatoren. Ihnen wird der Beschäftigungsumfang reduziert und es wird versucht, bei den Honoraren zu kürzen. Es gibt sogar Überlegungen, bei Einsätzen bis vier Stunden statt eines vollen nur noch einen halben Tagessatz zu bezahlen. Freie, die sowieso nur maximal 110 Tage im Jahr für das ZDF arbeiten dürfen, erhalten dann nur noch ein halbes Honorar. Das ist für nicht wenige existenzbedrohend, weil es etwa für freie Kameraleute oder Cutter fast unmöglich ist, am selben Tag noch bei einem anderen Sender eine halbe Schicht zu ergattern.

In einer Online-Petition der freien Mitarbeiter beim ZDF Studio Berlin an ihren Intendanten Thomas Bellut wird zudem die immer häufigere Trennung zwischen Redaktionen und Produktion beklagt. Immer öfter fehlt es an kontinuierlich zusammenarbeitenden Teams, als ob billige Kameraassistenten oder Cutter beliebig austauschbar oder kurzfristig zu Dumpinglöhnen disponierbar wären.

Keiner der Freien will sich äußern - aus Angst

"Diese Haltung führt nicht nur zu kreativer Frustration, sondern bedroht in ihrer Konsequenz die Qualität des Programms", heißt es in der Online-Petition der Freien. ZDF-Pressesprecher Rainer Stumpf beteuert zwar, dass es intensive Gespräche zwischen dem Haus und den Freien gegeben habe und weiter gebe, aber das Betriebsklima kann als gestört gelten. Obwohl bis dato mehr als 170 Freie die Online-Petition unterschrieben haben, ist keiner von ihnen zum Interview bereit. Sie haben schlicht Angst, für die wenigen noch verbliebenen Aufträge nicht mehr gebucht zu werden, wenn sie namentlich als Kritiker in Erscheinung treten.

Andererseits beklagt der ZDF-Personalrat, dass ohne genügend freie Mitarbeiter die Arbeitsbelastung in den Redaktionen immer größer wird. Zwar hat Intendant Thomas Bellut auf der jüngsten Pressekonferenz des Fernsehrats angekündigt, dass der bisherige Einstellungsstopp im Frühjahr 2013 aufgehoben werden soll, aber in welchem Umfang, bleibt noch offen. Innerhalb des Senders selbst gibt es nur wenige Möglichkeiten für Veränderungen und neue Mitarbeiter kommen nur noch in Ausnahmefällen ins ZDF hinein. Selbst Volontäre bildet der Mainzer Sender derzeit nicht mehr aus.

Im ZDF herrscht Verwirrung. Um das Programm zu verjüngen, wurden in den letzten Jahren erst die drei Digitalkanäle ZDFneo, ZDFkultur und ZDFinfo eröffnet, für die sogar neues Personal angeworben wurde. Dann aber werden ganze Sendungen ersatzlos gestrichen: Nachtstudio, Logo am Samstag, Blickpunkt, Der Marker und ab Januar 2013 das ZDFwochen-journal. Zudem soll zum Jahresbeginn 2013 die Kulturberichterstattung von ZDF, 3sat und ZDFkultur in der "Redaktion Kultur Berlin" gebündelt werden, in der verschiedene bisherige Redaktionen zusammengefasst sind.

Personalsteuerung aus dem Ruder gelaufen?

Vielleicht ist das angesichts der aktuellen KEF-Auflagen erst der Beginn einer ganzen Streichorgie. Der Pressesprecher des Mainzer Senders aber versucht auch hier zu beruhigen. Weitere Programmeinsparungen seien zur Zeit nicht vorgesehen. Das ZDF befindet sich also in einem Dilemma. Seitens der KEF wird klar benannt, dass sich der Sender im Gegensatz zur ARD nicht an die bereits 2008 im 16. KEF-Bericht formulierten Sparvorgaben gehalten hat. So wurden die drei neuen Digitalkanäle aufgebaut, ohne dafür einen Entwicklungsbedarf und zusätzliche Mittel zu beantragen.

Offensichtlich sei den ZDF-Oberen die Personalsteuerung aus dem Ruder gelaufen, heißt es aus der KEF-Geschäftsstelle. Aber die Finanzkontrolleure seien gesprächsbereit. Momentan werde auf Bitten der Verantwortlichen auf dem Mainzer Lerchenberg darüber verhandelt, die Sparauflage um weitere vier Jahre bis 2020 zu strecken. Wie viele und welche freien ZDF-Mitarbeiter bis dahin auf der Strecke bleiben, ist noch lange nicht abzusehen.