TV-Tipp: "Helen Dorn: Schwarzes Herz"

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8. März, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Helen Dorn: Schwarzes Herz"
Das Opfer in dem Krimi, Jens Falkner (Stephan Schad), ist ein renommierter Wirtschaftsanwalt, aber die interessantere Personalie ist seine Gattin: Charlotte Falkner (Karoline Eichhorn) ist Leiterin des Ocean Spring Institutes.

Die einen glauben an Gott, die anderen an höhere Gewalt. "Es kommt, wie es kommt", denkt sich der schicksalsergebene Kölner ("Et kütt, wie et kütt"), und redet sich ein, es sei doch immer alles gut gegangen. "Es ist, wie es ist", stellt Helen Dorn hanseatisch pragmatisch fest, übersieht dabei jedoch, dass es noch eine weitere Variante gibt, den Lauf der Dinge zu betrachten; und davon erzählt Friedemann Fromm (Buch und Regie) in seinem achten Film in Folge für die Krimireihe mit Anna Loos.

Weil die Hamburger LKA-Kommissarin abgesehen von WG-Kompagnon Weyer (Tristan Seith) keinerlei private Kontakte innerhalb der Polizei hat, soll sie die internen Ermittlungen gegen einen Kollegen übernehmen: Ralf Lenze (Henning Flüsloh) hat sich bei einer nächtlichen  Personenkontrolle von einem Autofahrer bedroht gefühlt und geschossen. Das Opfer, Jens Falkner (Stephan Schad), ist ein renommierter Wirtschaftsanwalt, aber die interessantere Personalie ist seine Gattin: Charlotte Falkner (Karoline Eichhorn) ist Leiterin des Ocean Spring Institutes. Die Einrichtung dient nicht etwa der Erforschung der Meere, sondern des Bewusstseins: Wunder, belehrt die von ihrem Gefolge regelrecht verehrte Frau in ihrem Podcast, "sind Angebote des Universums an unseren wachen Geist."

Da die Rekonstruktion des Tathergangs nicht zwingend erklärt, warum Lenze gleich zwei Schüsse abgegeben hat, vermutet Dorn andere Motive. Angeblich hat der Kollege von einem Informanten den Hinweis erhalten, in dem Auto befinde sich eine große Menge Drogen. Der Tippgeberin war, wie sich später rausstellt, Charlotte Falkners Tochter Tanja (Lara Feith), mit der Lenze eine besondere Beziehung verbindet. Als Dorn im Zusammenhang mit einem früheren Nebenjob des Polizisten auf einen offenbar verwirrten Obdachlosen stößt, der die Wände seines Zimmers über und über mit düsteren Zeichnungen bedeckt hat, entwickelt sich der Fall in eine völlig neue Richtung.

Markantes Merkmal der Bilder ist ein schwarzes Herz, das auch bei den Falkners eine elementare Rolle spielt: Es ziert eine kleine goldene Kugel, die Charlotte, wie sie Dorn erzählt, ihrem Mann als Zeichen der Liebe geschenkt hat, was der Wahrheit allerdings allenfalls nahekommt. Eine weitere wichtige Figur in diesem zunehmend undurchsichtigen Reigen spielt ein Psychiater: Carsten Ludwig (Fritz Karl) leitet eine Klinik, in der Tanja vor zehn Jahren nach dem Suizid ihres leiblichen Vaters behandelt worden ist. Sie ist nach wie vor psychisch labil.

Lara Feith, mit ihren markanten Gesichtszügen prädestiniert für besondere Rollen, verleiht der jungen Frau eine ätherische Aura, die Tanjas Fragilität sehr glaubwürdig vermittelt. Fritz Karl verkörpert den Arzt als väterlichen Freund, der die junge Frau vor allem Ungemach beschützen will. Dorn bittet ihn wegen der Zeichnungen und der Bedeutung des schwarzen Herzens um Rat. Als Ludwig einen kleinen Vortrag über die Macht des Zufalls und entsprechende magische Rituale hält, wird der Krimi endgültig faszinierend. Spätestens jetzt fragt sich die Kommissarin, ob es sich bei Charlotte Falkners Gefolgschaft um eine Sekte handelt. Da kann sie natürlich noch nicht ahnen, dass die Macht des Zufalls schließlich auch über ihr eigenes Schicksal entscheiden wird. 

Filme von Friedemann Fromm, mehrfacher Grimme-Preisträger, sind stets mit großer Sorgfalt gestaltet. Die Musik (Ina Meredi Arakelian) ist mit mystischen Klängen durchsetzt, die ebenso wie die punktuell verwendeten Soundeffekte früh andeuten, dass düstere Energien im Spiel sind. Optische und akustische Verfremdungen verdeutlichen die psychischen Entgleisungen der beteiligten Figuren. Gleich zu Beginn, als Charlotte Falkner über Wunder spricht, erklingt der Klassiker "White Rabbit" von Jefferson Airplane. In dem Lied geht es natürlich um das weiße Kaninchen aus "Alice im Wunderland", in der Popkultur eine beliebte Chiffre für eine Reise in psychedelische Abgründe; und das ultimative Tor zur Erkenntnis ist nun mal der Tod.

Der Song ist als Filmmusik ähnlich beliebt wie das Allegretto aus Beethovens Sinfonie Nr. 7, das hier erklingt, als Rechtsmedizinerin Alighieri (Nagmeh Alaei) rausfindet, dass es beim Tod von Jens Falkner nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Qualität der Bildarbeit (Kamera: Heinz Wehsling) zeigt sich nicht zuletzt in einer ganz normalen Befragungsszene, als es Fromm gelingt, einer starren Gesprächssituation erstaunlich viel Dynamik abzugewinnen. Die Mitwirkenden sind ohnehin mit Bedacht besetzt und ausnahmslos ausgezeichnet.