Herr Minister Friedrich, Sie eröffnen gemeinsam mit Kirchenvertretern am Mittwoch das nächste Themenjahr der Lutherdekade. Diesmal geht es um Toleranz. Welchen Beitrag erwarten Sie zu diesem Thema von der evangelischen Kirche?
###mehr-artikel###Hans-Peter Friedrich: Toleranz beruht auf zwei Säulen: Einerseits auf Offenheit, Neugierde, Gesprächsbereitschaft, andererseits aber auch auf Klarheit über die eigene Identität. Nur wer seine eigene Position kennt und mit sich im Reinen ist, kann etwa belastbare Kompromisse eingehen. Die Reformationsdekade bietet uns die Chance, Klarheit und Sicherheit bezüglich unseres Glaubens zurückzugewinnen.
Das Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit scheint in Deutschland oftmals noch nicht selbstverständlich. Brauchen Christen eine Lektion in Toleranz?
Friedrich: Nur zu akzeptieren, was nicht geändert werden kann, ist kein Akt der Toleranz. Wirkliche Toleranz auch im christlichen Sinn bedeutet eine aktive Haltung: Den anderen verstehen wollen, sich um ihn bemühen. Diese wirkliche Toleranz kann nicht staatlich verordnet werden, sie muss aus dem Herzen kommen. Hier können die Kirchen wichtige Impulse geben.
Religionen müssen selbst immer häufiger Toleranz und Verständnis für ihre Überzeugungen und Riten einfordern. An welchem Punkt stößt Religion an die Grenze Ihrer Toleranz?
Friedrich: Den Rahmen gibt das Grundgesetz vor. Dabei sind wir Deutsche in einer glücklichen Situation, denn alle großen monotheistischen Religionen akzeptieren den Ausgangspunkt unserer Verfassungsordnung: Den Schutz der Menschenwürde als Ausdruck seiner Gottesebenbildlichkeit. Wer aber die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder die Freiheit anderer Bürger verletzt, kann vom Staat keine Toleranz gegenüber seinem Tun erwarten.