Ein kleiner Sieg für die Reformjuden

Foto: epd-bild/Debbie Hill
Rabbinerin Miri Gold hält die Torarolle vor dem Toraschrein in der Khilat Birkat Shalom Synagoge im Kibbutz Gezer in Israel.
Ein kleiner Sieg für die Reformjuden
Israel will auch nicht-orthodoxe Rabbiner bezahlen
Orthodoxe Juden genießen in Israel seit der Staatsgründung eine Vorrangstellung. Jetzt haben Reformjuden vor dem Obersten Gerichtshof einen kleinen Sieg errungen. Auch ihre Rabbiner werden nun teilweise vom Staat bezahlt.
24.06.2012
epd
Susanne Knaul

Sieben Jahre lang haben liberale und konservative Juden in Israel gekämpft. Vor dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem haben sie nun einen kleinen Sieg erlangt: Ab sofort soll der Staat Israel auch Gehälter von nichtorthodoxen Rabbinern übernehmen. Ihre Befugnisse bleiben zwar weiterhin eingeschränkt, trotzdem lässt das Urteil hoffen. "Dieses war der erste Schritt auf dem Weg zur staatlichen Anerkennung", sagt Miri Gold, die das Verfahren vor dem Gericht in Jerusalem angestoßen hat. 

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Die Neuerung bezieht sich ausschließlich auf ländliche Gemeinden. Gerade einmal 15 liberale und konservative Rabbiner sollen staatliche Gelder erhalten. Mit dem Urteil erkennt der Staat Israel erstmals neben den orthodoxen Rabbinern nichtorthodoxe jüdische Geistliche als Rabbiner an. Da es in den Reformgemeinden auch weibliche Gemeindeleitungen gibt, tragen nun erstmals auch Frauen offiziell den Titel Rabbinerin.

Wie Miri Gold, die als Rabbinerin in Kibbutz Geser östlich von Tel Aviv tätig ist. Bislang wurde ihre Halbtagsstelle von der Synagoge und von ihrer Bewegung in den USA getragen. "An meinem Gehalt wird sich nichts ändern", sagt sie, darum ginge es auch nicht. Viel wichtiger sei der politische Widerhall des richterlichen Urteils. Golds nächster Schritt ist, auch für die Kollegen, die in städtischen Gemeinden tätig sind, eine Bezahlung aus der Staatskasse zu erkämpfen. 

Schlag ins Gesicht des orthodoxen Establishments

Das Urteil, das vom Obersten Gericht Ende Mai gefällt wurde, ist ein Schlag ins Gesicht des orthodoxen Establishments. Israels sephardischer Chefrabbiner Schlomo Amar etwa zürnt. Für die nächste Woche hat er den obersten Rabbinatsrat einberufen, um die staatliche Anerkennung seiner unorthodoxen Kollegen zu stoppen. "Die Reformisten und die Konservativen lösen die Thora von ihren Grundpfeilern", kritisiert der Oberrabbiner. 

Seit der Staatsgründung 1948 wachen die stets in schwarz gekleideten und ausnahmslos männlichen Rabbiner über die religiösen Angelegenheiten und das Personenstandsrecht im Land. Bis heute gibt es etwa in Israel keine Zivilehe. Einzig die orthodoxen Rabbiner dürfen nach dem jüdischen Gesetz, der Halacha, Ehen schließen. Wer das nicht will, geht zum Heiraten ins Ausland und lässt die Ehe anschließend in Israel registrieren. Gold empfindet das als "eine Beleidigung". Nichtorthodoxe Gemeinden dürfen nur eine symbolische Hochzeitszeremonie veranstalten, die jedoch keine offizielle Gültigkeit hat. An dieser Situation ändert auch das Urteil nichts.

Auch bei einer Konversion sind für konservative und liberale Gemeinden die Möglichkeiten stark begrenzt. In Israel gilt ein Konvertit erst dann als Jude, wenn er seinen Segen vom orthodoxen Rabbiner bekommen hat. Anders ist das in Europa oder den USA, wo das Wort des nichtorthodoxen Rabbiners reicht. Gold spricht von "weltweit zwei Millionen Mitglieder liberaler Gemeinden".

In Israel sind nichtorthodoxe Rabbiner gefragt

Entgegen dieser Gesetzgebung sind in Israel nichtorthodoxe Rabbiner gefragt: Immer mehr israelische Familien feiern die Bar- und Bat-Mitzwa, die Feste der Religionsmündigkeit, im Beisein von nichtorthodoxen Rabbinern. Rund 100 nichtorthodoxe Gemeinden gibt es inzwischen im Heiligen Land, davon ein Drittel für Reformjuden und der Rest für Konservative. Jedes Jahr kommen fünf bis acht neue Gemeinden dazu.

Gleichzeitig fällt jedoch das Reformjudentum bei staatlichen Statistiken oft durch die Maschen. Die Kategorie "liberal" ist bei Erhebungen selten vorgesehen. "Ich weiß nie, was ich den Meinungsforschern auf die Frage antworten soll, ob ich religiös bin oder nicht", sagt Gold. Umso mehr freut sie sich über das Urteil, das "zum ersten Mal anerkennt, dass es andere Rabbiner gibt als Orthodoxe".

Das Judentum sei nicht weiß oder schwarz, sondern "es gibt andere Wege, jüdisch zu sein", sagt Gold. Das Urteil, glaubt sie, sei auch wichtig für die Juden in der Diaspora. In den USA bestehe eine große Sensibilität für die Dinge, die in Israel passieren. "Die Juden in Amerika wollen Teil davon sein." Je stärker sich der Staat von Demokratie und Pluralismus entferne, desto größer sei auch die Entfremdung der amerikanischen Juden von Israel. "Mein Interesse ist, die Verbindung und die Liebe für Israel zu bewahren."