Berlin (epd). Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, hat notwendige Reformen bei der Finanzierung der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung angemahnt. Sie vermisse bei der neuen Koalition aus Union und SPD den Mut, Finanzierungslücken schnell zu schließen, sagte sie laut Mitteilung am Sonntag in Berlin. Bei der Stabilisierung der Sozialversicherungen gebe es keine Zeit zu verlieren, denn es drohten die nächsten Beitragserhöhungen, warnte sie.
Auch die Krankenkasse DAK-Gesundheit befürchtet eine starke Beitragserhöhung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. „Wenn nicht nachgelegt wird, dann ist mit diesem Koalitionsvertrag ein Beitragstsunami vorprogrammiert“, sagte Krankenkassenchef Andreas Storm der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag). Die steigenden Kosten seien eine Zumutung für Beitragszahler und gefährdeten einen wirtschaftlichen Aufschwung.
VdK-Präsidentin Bentele kritisierte, die Koalition habe zwar angekündigt, die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung verbessern zu wollen. Wie sie das erreichen wolle, bleibe aber unklar. CDU-Chef Friedrich Merz hatte vergangene Woche Reformen bei Gesundheit, Pflege und Rente zugesichert. Entsprechende Veränderungen könnten aber nicht im Rahmen von Koalitionsverhandlungen beschlossen werden. Sofort nach dem Regierungsantritt würden daher entsprechende Kommissionen berufen, sagte Merz dem ZDF. Es sei die „feste Absicht“ von Union und SPD, die Sozialversicherungssysteme zukunftsfest zu machen, sagte Merz, der sich Anfang Mai zum Bundeskanzler wählen lassen will.
Kritik gibt es vor allem an der Frage, ob die Steuermittel für die Kosten der Krankenversicherung für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger erhöht werden oder nicht. Im Sondierungspapier war noch die vollständige Refinanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfänger festgehalten worden. „Das hätte der gesetzlichen Krankenversicherung knapp neun Milliarden Euro gebracht“, sagte Bentele. Dass dieser Plan nicht im Koalitionsvertrag stehe, bezeichnete sie als „großen Fehler“.
Die neun Milliarden Euro beziehen sich auf das errechnete Defizit, das den Krankenkassen durch die Finanzierung der Leistungen für Bürgergeldempfänger entsteht. Der Bund zahlt zwar mit dem Bundeszuschuss eine Pauschale für die Krankenversicherungsbeiträge von Menschen, die Sozialleistungen beziehen. Doch diese reicht laut einem Gutachten im Auftrag des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen GKV nicht aus.
DAK-Chef Storm kritisierte, Kosten in Milliardenhöhe würden auf die Beitragszahler abgewälzt, anstatt mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt für sie aufzukommen. Er warnte die Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD davor, eine Kommission einzusetzen, die bis Anfang 2027 Reformvorschläge erarbeiten soll. Wenn in der Zwischenzeit nichts unternommen würde, könnten bis dahin „ganze Teilbereiche unseres Gesundheitswesens kollabiert sein“.