Colonia Dignidad: Opfer sehen Gedenkstätte gefährdet

Colonia Dignidad: Opfer sehen Gedenkstätte gefährdet
13.04.2025
epd
epd-Gespräch: Malte Seiwerth

Santiago (epd). Die Opfer der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile sehen das Vorhaben einer Gedenkstätte bedroht. Zwar habe die Regierung angekündigt, die Besitzer des aktuellen Ortskerns für das Mahnmal zu enteignen, sagte der Anwalt mehrerer Überlebender, Winfried Hempel, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber bei dem bisherigen Tempo lebten die meisten Betroffenen bei der Eröffnung der Gedenkstätte womöglich nicht mehr.

Auch wegen der kommenden Wahlen dränge die Zeit, betonte Hempel. „Der Regierung bleiben noch zehn Monate, um erste konkrete Schritte zu unternehmen, bevor im März 2026 möglicherweise ein rechter Präsident das Amt übernimmt.“ Die konservativen Politiker stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Anfang März hatte Chiles linke Regierung von Präsident Gabriel Boric anlässlich eines Besuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angekündigt, die zentralen Gebäude der über 10.000 Hektar großen Siedlungsfläche für die Gedenkstätte zu enteignen.

Die sogenannte „Siedlung der Würde“ wurde im Jahr 1964 vom mittlerweile verstorbenen Deutschen Paul Schäfer gegründet. Systematischer sexueller Missbrauch, Zwangsarbeit und Folter waren bis Ende der 90er-Jahre an der Tagesordnung. Während der Diktatur (1973-1990) war die Colonia ein geheimes Folterzentrum. Die deutsche Botschaft in Chile wusste seit 1966 um die Zustände und rühmte sie dennoch als Vorzeigeprojekt. Erst ab 1987 fand ein Umdenken statt.

2016 räumte Steinmeier als Außenminister als erster eine Mitschuld des deutschen Staates am Leid der Opfer ein. Seitdem gibt es eine binationale Expertenkommission, die unter anderem die Errichtung einer Gedenkstätte empfohlen hat.

Doch Hempel sieht Deutschland stärker in der Pflicht. „Wir fühlen uns vom deutschen Staat weiterhin nicht gehört“, sagt der Anwalt, der selbst ehemaliger Bewohner der Sektensiedlung ist und weitere Leidensgenossinnen und -genossen der Vereinigung für Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Würde der ehemaligen Siedler (ADEC) vertritt. Steinmeier habe sich zwar mit einzelnen Opfern getroffen, jedoch die Opfergruppen von diesem Gespräch ausgeschlossen. „Das Treffen diente einem Schein, aber nicht dazu, tatsächlich das Thema voranzutreiben.“

Die ehemaligen Bewohner seien inzwischen im Rentenalter und lebten größtenteils mit einer Mindestrente von lediglich 250 Euro in Armut. Deutschland hat 190 Siedlern eine Entschädigung von 10.000 Euro pro Person ausgezahlt. Dies sei auch in Chile zu wenig, um sich wirtschaftlich von der Colonia Dignidad zu trennen, sagte Hempel.

Zugleich führten die Erben der Gründer die autoritäre und übergriffige Sektenstruktur fort, sagte Hempel. Es sei daher wichtig, dass der Staat durch eine Erinnerungsstätte Präsenz zeige, die es den Opfern ermögliche, ihre Geschichte zu erzählen.