TV-Tipp: "Morden auf Öd – Ein Inselkrimi: Die Heimsuchung"

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15. April, RTL, 20.15
TV-Tipp: "Morden auf Öd – Ein Inselkrimi: Die Heimsuchung"
Ohne den Auftakt mit Knalleffekt wäre der zweite Krimi aus der neuen RTL-Reihe "Morden auf Öd" mit Paula Kalenberg und Max Hubacher zumindest zunächst eine unbeschwerte Komödie.

Klaus Hansen und Maja Stein feiern in der Dorfkneipe feuchtfröhlich Abschied: Die Kommissarin vom Festland hat ihre Mission erfüllt, die beiden kriminellen Kollegen von der Inselpolizei sind Geschichte. Am nächsten Tag, als Hansen sie zur Fähre bringt, versichert Maja ihm, wie sehr sie Öd vermissen werde. Das fällt ihr prompt auf die Füße: Der Inselposten benötigt dringend Verstärkung, aber der aktuelle Abgangsjahrgang der Polizeischule braucht noch einige Wochen; deshalb soll sie fürs Erste hier bleiben. 

Der nächste Fall lässt ohnehin nicht lange auf sich warten, denn nun ereignet sich die Explosion, mit der der Film auch begonnen hat; der Kneipenabend, an dessen Ende sich die  Kriminalhauptkommissarin nicht mehr erinnern kann, war eine Rückblende. Während sie keinen Hehl daraus macht, dass ihre Worte über das Eiland, das seinem Namen ihrer Ansicht auf zweifelhafte Weise alle Ehre macht, eine freundliche Lüge waren, kommt Bestatter Georg Winter (Timo Jacobs) auf seinem gewohnten Parkplatz am Hintereingang eines Supermarkts ums Leben, als im Kühlregal eine Packung Fischstäbchen detoniert.

Ein kauziger Tüftler (Lars Rudolph), der bei Bedarf als Kriminaltechniker fungiert, rekonstruiert einen Fernzünder: Winter war keineswegs zur falschen Zeit am falschen Ort, sondern Opfer eines gezielten Anschlags mit Glyceroltrinitrat, im Volksmund als Nitroglycerin bekannt. Nun entwickelt Reihenschöpfer Holger Karsten Schmidt, mehrfacher Grimme-Preisträger und ausgewiesener Fachmann für den Einbruch der kriminellen Wirklichkeit in Idyllische Beschaulichkeiten ("Nord bei Nordwest, "Harter Brocken", beide ARD), eine Geschichte, die angeblich nach Dubai, tatsächlich jedoch nach Afghanistan führt.

In seinem früheren Leben war Winter Berufssoldat. Bei seinem letzten Einsatz hat er am Hindukusch die deutsche Sicherheit verteidigt. Die Rückreise über die Vereinigten Arabischen Emirate hat ihm großes Glück gebracht: Im Casino der Emiratshauptstadt hat er drei Millionen Euro gewonnen; das ist zumindest seine Erklärung für den unverhofften Reichtum. Zwei weiteren Teammitgliedern war das Schicksal offenbar ebenfalls hold, beide haben sich ebenfalls auf Öd niedergelassen.

Eva Holm (Franziska Hartmann) führt einen Gnadenhof, Markus Brenner (Sebastian Zimmler) hat sich bei der Feuerwehr und im Fußballverein unersetzlich gemacht. An dem Einsatz war jedoch noch ein vierter Soldat beteiligt. Das Quartett ist in einen Hinterhalt geraten, dabei ist Kai Gerstmann lebensgefährlich verletzt worden. Er war der Sprengstoffexperte des Trupps, die anderen haben den sterbenden Kameraden zurückgelassen.

Regie führte wie schon bei dem in der letzten Woche ausgestrahlten ersten Film ("Tag der Abrechnung") Richard Huber. "Die Heimsuchung" hat deutlich größeres Thriller-Potenzial, und das nicht nur wegen der Afghanistan-Rückblenden: Irgendjemand ist auf Rache aus; Holm und Brenner stehen ebenfalls auf der Abschussliste. Schmidt konfrontiert die Ex-Soldatin mit einer besonders perfiden Herausforderung, die dem Begriff "Totmanneinrichtung" eine ganz neue Bedeutung gibt. Ansonsten ist die Umsetzung überwiegend entspannt, zumal die Geplänkel zwischen dem Ermittlungsduo immer wieder für sympathische Heiterkeitsmomente sorgen, weil Hansen die Kollegin regelmäßig mit erfundenen Inselredensarten auf den Arm nimmt.

Auch wenn es zunächst den Anschein hat, als sei ihre Anwesenheit auf Öd nicht von Dauer: Die für den Inselposten komplett überqualifizierte Kommissarin und der selbstredend nur scheinbar weniger clevere Einheimische ergänzen sich prima. Der trockene Humor der Menschen auf Öd ist ohnehin eine Freude. Hinzu kommen Schmidts Anspielungen und Zitate, etwa aus George Orwells Roman "1984" ("Doppelplusungut"), oder der Klassiker, welchen Draht Maja durchschneiden muss, um eine Bombe zu entschärfen. Selbst für einen Seitenhieb auf den weltgrößten Nahrungsmittelhersteller ist noch Zeit.

Als Winter noch als Zufallsopfer gilt, fällt der Verdacht zunächst auf einen Supermarkterpresser: Der Filialleiter soll sämtliche Produkte eines bestimmten Konzerns aus dem Sortiment entfernen. Das Unternehmen, klärt Maja den Kollegen auf, gräbt den Menschen in armen Ländern das Grundwasser ab und verkauft es ihnen dann als in Flaschen abgefülltes Trinkwasser. Es wäre schön, wenn RTL dem Duo Kalenberg/Hubacher noch weitere Fälle gewähren würde.