NS-Verbrechen: Ermittler finden "immer noch Verdächtige"

NS-Verbrechen: Ermittler finden "immer noch Verdächtige"

Osnabrück, Ludwigsburg (epd). Gut 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges kommt die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen einem Bericht zufolge an ihr Ende. „Wir finden immer noch Verdächtige. Aber richtig ist: Wir fahren auf Sicht, wir sind im Schlussbereich der NS-Verfolgung angekommen“, sagte der Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen im baden-württembergischen Ludwigsburg, Thomas Will, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Sonntag).

Möglicherweise noch lebende Täter wären heute um die 100 Jahre alt. Der Zentralen Stelle blieben also realistischerweise nur noch wenige Jahre, um Täter aufzuspüren. Derzeit führe seine Behörde kein konkretes Vorermittlungsverfahren, sagte Will. „Das kann sich aber immer schnell ändern“, betonte der Oberstaatsanwalt. „Das Deutsche Reich und die besetzen Länder waren durchzogen von einem Netz an Konzentrationslagern. Überall dort waren mögliche Täter oder Gehilfen im Einsatz, alleine in Auschwitz viele Tausende.“

Für jedes Lager habe seine Behörde Datensätze zu Personen, die noch nicht ausfindig gemacht werden konnten. „Sollten wir sie noch finden, dann sind wir jedenfalls theoretisch, wenn auch in dieser Höhe unwahrscheinlich, schnell bei Dutzenden von weiteren Verfahren.“

Die Zentrale Stelle führt Vorermittlungen durch und übergibt die Ergebnisse an zuständige Staatsanwaltschaften in den Bundesländern. Wie die Zeitung weiter berichtet, gibt es derzeit nur eine offene Anklage bundesweit: Angeschuldigt ist ein Mann, dem Beihilfe zum Mord in 3.322 Fällen im Konzentrationslager Sachsenhausen vorgeworfen wird. Das Landgericht Hanau erklärte den Senior auf Basis eines Gutachtens für nicht verhandlungsfähig. Das Oberlandesgericht Frankfurt verwarf die Nichtzulassung und forderte Nachprüfungen.

In einem weiteren Fall in Berlin gegen einen früheren Wächter eines Strafgefangenenlagers komme es definitiv nicht mehr zu einem Prozess. Der Mann sei Ende vergangenen Jahres gestorben und das Verfahren eingestellt worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin der Zeitung mit. Dem Mann war Beihilfe zum Mord in 809 Fällen vorgeworfen worden.