Frankfurt a.M. (epd). Rudolf Steiner, der vor 100 Jahren verstorbene Begründer der Anthroposophie, fasziniert bis heute: Er glaube, letztlich blieben viele anthroposophische Ideen bestehen, „weil sie weiterhin einen Nerv der Zeit treffen“, sagte der Steiner-Biograf, Religionshistoriker und katholische Theologe Helmut Zander dem Evangelischen Pressedienst (epd). Steiners Lehre gründe jedoch auf spirituellen Ideen, die sich einem wissenschaftlichen Zugriff entziehen.
Der österreichische Philosoph und Lebensreformer Rudolf Steiner wurde 1861 im Habsburgerreich geboren und starb am 30. März 1925 im Alter von 64 Jahren in der Schweiz. Seine Impulse für Praxisfelder wie Waldorfschulen, Medizin und Landwirtschaft stießen nach wie vor auf ein Bedürfnis vieler Menschen nach ganzheitlichen Ansätzen. Steiner biete Alternativen zu einem vorherrschenden kalten Materialismus, fügte Zander hinzu, der Religionsgeschichte an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) gelehrt hat.
Zander sieht ein Problem in der zentralen Rolle, die Steiner nach wie vor innerhalb der anthroposophischen Bewegung einnimmt: „Der Jesus der Anthroposophie heißt Rudolf Steiner.“ Man verlasse sich auf seine Erkenntnis, seine Aussagen, seine Praxis. Wenn man sich zum Beispiel mit Demeter-Produkten ernährt und gesund bleibt, wird das zu einem Nachweis, dass Steiner irgendwie recht gehabt habe. „Strukturell ist das wie eine Art Gottesbeweis“, so Zander.
Die anthroposophischen Praxisfelder wie Waldorfschule, Alternativmedizin oder Landwirtschaft könne man nicht verstehen, ohne die esoterische Dimension einzubeziehen, unterstreicht der 67-jährige Zander. Das bedeute beispielsweise in der Landwirtschaft, dass dort kosmische Kräfte wirken sollen. Wenn man diese erkenne, könne man entsprechende Präparate oder Ackerbaumethoden anwenden.
Mit Blick auf Vorwürfe antisemitischer und rassistischer Äußerungen in Steiners Werk äußerte Zander: „Insgesamt werden Inhalte bei Steiner, die heute inakzeptabel sind, in der Anthroposophischen Gemeinschaft nicht angemessen bearbeitet.“ Ein Riesenproblem für die Anthroposophie sei, dass vieles so eng mit dem 19. Jahrhundert verbunden ist.