TV-Tipp: "Tatort: Die große Angst"

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Sonntag, 23. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Die große Angst"
Die Story um die schwangere Nina, die zum "Monster" erklärt wird, entwickelt sich zu einem veritablen Thriller. Bei der Schilderung der Polizeiarbeit zeichnet sich dieser Tatort durch besondere Realitätsnähe aus.

Es ist Hochsommer, in der Seilbahngondel herrscht drangvolle Enge, eine hochschwangere Frau bekommt kaum noch Luft. Ihr Mann öffnet ein Kippfenster, ein renitenter Typ klappt es wieder zu. Das geht einige Male hin und her, andere Gäste mischen sich ein. Plötzlich greift die Frau wie in Panik nach dem Nothammer und versucht, ein Fenster einzuschlagen.

Der zweite Mann gerät in ihre "Schusslinie", bricht mit klaffender Kopfwunde zusammen und fällt schmerzhaft gegen ihren Babybauch. Als die Gondel der Schwarzwald-Bergbahn den Zielort erreicht, eilt das Paar zu seinem Auto und fährt ins Krankenhaus. Zum Glück gibt ein mit den beiden befreundeter Arzt Entwarnung.

Damit könnte die Sache erledigt sein, aber hinter Nina und Sven Kucher sind die Dinge derweil eskaliert: Der Mann aus der Gondel ist tot, die Polizei ist mit einem Großaufgebot angerückt. Die öffentliche Fahndung klingt, als handele es sich bei dem Krankenpfleger und der Kindergärtnerin um ein Terrorpärchen. Als bekannt wird, dass die Frau einen Hirntumor hat, der angeblich aufs "Aggressionszentrum" drückt, herrscht im Internet prompt Alarmstimmung.

Kurz drauf kursiert das Gerücht, Nina habe bei der Arbeit ein Kind geschlagen. Tatsächlich unterliegt sie gewissen Gefühlsschwankungen, ihre Emotionen äußern sich stärker als gewöhnlich, aber eine öffentliche Gefahr ist sie ganz sicher nicht. Sie selbst will sich der Polizei stellen, der Gatte ist dagegen, weil ihr seiner Ansicht nach "Knast oder Klapse" drohen.

"Die große Angst", Fall Nummer 14 für das Freiburger "Tatort"-Duo Tobler und Berg (Eva Löbau, Hans-Jochen Wagner), ist ein ungewöhnlicher Krimi: Es geht nicht um die Aufklärung eines Mordes, sondern vor allem darum, Schlimmeres zu verhindern. Trotzdem bewegt sich die durchgehend äußerst fesselnde Handlung nah am Thriller: Das Ehepaar (Pina Bergemann, Benjamin Lillie) hat die Aufregung mitbekommen und will sich in der Waldhütte des Arztes, Mesut Edem (Sahin Eryilmaz), verstecken. Tobler entdeckt das Auto der Kuchers auf einem Parkplatz in der Nähe und folgt Edem zu der Hütte, der sich das Ehepaar auf Umwegen nähert. Die Ereignisse eskalieren, als ein früherer Zögling Ninas blutüberströmt in der Nähe gefunden wird.

Sie hat dem Jungen das Leben gerettet, als er sich beim Sturz vom Fahrrad die Oberschenkelarterie aufgerissen hat, aber das können die schockierten Eltern nicht wissen. Die Schaulustigen, die sich am Ort der Einsatzleitung eingefunden haben, lassen sich gern vom Vater aufstacheln. Als sich schließlich ein offenbar zu allem bereiter Mob Richtung Waldhütte aufmacht, steht das Leben des Ehepaars auf dem Spiel.

Christina Ebelt (Buch und Regie) hat zwei herausragende Filme mit Franziska Hartmann gedreht: Ihr Regiedebüt "Sterne über uns" (2020), ein "Kleines Fernsehspiel" fürs ZDF, handelt von einer Frau, die mit ihrem Sohn in den Wald zieht, als sie ihre Wohnung verliert; "Monster im Kopf" (2023) war ein Drama über eine hochschwangere Strafgefangene. Mit ihrem ersten Krimi beweist Ebelt, dass sie auch dieses Genre beherrscht. Darstellerisch ist der "Tatort" ohnehin sehenswert, auch die Bildgestaltung sorgt für Spannung, weil die Kamera (Stefan Sommer) wie eine weitere Mitwirkende gemeinsam mit dem Paar buchstäblich über Stock und Stein durch den Wald flieht oder mit den Suchtrupps die Gegend durchkämmt.

Einziges kleines Manko ist ein von Berg ausgehender unnötig übertriebener Zwist zwischen dem Kripoduo: Der Kollege ist sauer, dass sich seine Partnerin um die Dezernatsleitung beworben hat, und herrscht sie zwischendurch auch mal an, noch sei sie nicht seine Chefin. Dass dem schwergewichtigen Beamten zudem die Hitze zu schaffen macht, verschafft ihm zwar gewisse mildernde Umstände, rechtfertigt aber nicht die ständigen Sticheleien.

Nach einer Provokation, mit der er eindeutig eine rote Linie überschreitet, platzt Tobler der Kragen, sie verpasst ihm eine Ohrfeige. Auf diese Weise spiegelt sich im Verhalten der beiden zwar die zunehmende Gereiztheit aller Beteiligten, zumal die Medien für eine Menge Druck sorgen, aber Bergs Verhalten passt einfach nicht zur bisher durchaus freundschaftlichen Beziehung des Teams.

Immerhin sind die entsprechenden Szenen fast schon unangenehm gut gespielt. Davon abgesehen zeichnet sich "Die große Angst" gerade bei der Schilderung der Polizeiarbeit durch eine große Realitätsnähe aus. Der eigentliche Reiz des Films resultiert jedoch aus dem Widerspruch, dass ausgerechnet eine schwangere Frau zum "Monster" erklärt wird. Die Musik könnte in der Tat aus einem Horrorfilm stammen.