TV-Tipp: "Wendland: Stiller und der Teufelssauger"

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Mittwoch, 19. März, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wendland: Stiller und der Teufelssauger"
Es geht um dunkle Legenden, aber auch um Corona-Impfungen und Krebsforschung. Der ins Wendland versetzte Kommisar Stiller bekommt gleich einige harte Nüsse zu knacken.

Am Ende platzt angesichts des "Vampirzinnobers" selbst dem besonnenen Stiller der Kragen. Der pragmatische Kriminalist hat ohnehin nie daran geglaubt, dass tatsächlich ein untoter Blutsauger sein Unwesen im beschaulichen Wendland treibt. Rätselhaft ist der Fall trotzdem: Der Leiterin des örtlichen Heimatmuseum ist das Genick gebrochen worden. Bei der Obduktion stellt sich raus, dass der Leichnam keinen Tropfen Blut mehr enthält.

Prompt erinnert sich der abergläubische Teil der Bevölkerung an die Sage vom "Teufelssauger": Wenn Mütter Zwillinge zur Welt bringen, kann es vorkommen, dass eins der Kinder das andere ausstechen will. Der Satansbraten, munkelt der Volksmund, werde nicht nur die Mutter, sondern die komplette Familie aussaugen.

Es hat immer einen besonderen Reiz, wenn Reihen wie "Erzgebirgskrimi" oder "Die Toten vom Bodensee" (beide ZDF) Bräuche und Legenden ihrer Region aufgreifen. Für "Wendland" ist der Ansatz allerdings neu. Abgesehen vom Auftakt ("Stiller und die Geister der Vergangenheit", 2022), als es um die einstigen Gorleben-Proteste ging, erzählten die bisherigen Filme typische Krimigeschichten aus der Provinz: Der Star war nicht die Story, sondern Hauptdarsteller Ulrich Noethen.

Diesmal hat sich der Status etwas verschoben, weil Sarah Schniers Drehbuch den ins Wendland versetzten Kommissar mit einer Vielzahl von Verdächtigen konfrontiert. Im Haus des Opfers entdeckt Stiller zufällig einen versteckten Raum, der sich als Archiv entpuppt: Die scheinbar unbescholtene Lubina hat Dossiers über ihre Mitmenschen angelegt. Weil die Akten auch diverse Fehltritte enthalten, konnte sich die Dame allerlei Gefälligkeiten erpressen; und natürlich gibt es nun eine ganze Menge Verdächtige. Trotzdem konzentrieren sich die Ermittlungen auf Zwillingsschwester Lenka (Judith Rosmair): Sie hat Lubina im Rahmen eines erbitterten Erbstreits seit vielen Jahren gepiesackt und unter anderem in blutroten Lettern "Teufelssauger" an die Wand des Heimatmuseums und früheren gemeinsamen Elternhauses gemalt.

Schnier hat zuletzt fürs ZDF "Die zweite Welle" (2023) geschrieben, eine fesselnde Dramaserie über eine Freundesgruppe, die seit dem Tsunami 2004 durch ein düsteres Geheimnis verbunden ist. Die Handlung von "Stiller und der Teufelssauger" ist nicht ganz so komplex, aber ähnlich vielschichtig, es geht unter anderem um Corona-Impfungen und die Frage, was Fledermäuse zur Krebsforschung beitragen können. Auf der Krimiebene rückt das Drehbuch neben der aggressiven Schwester zwei weitere interessante weibliche Figuren in den Vordergrund.

Über die Familie von Stillers Vermieterin gibt es ebenfalls einen Ordner, den der Kommissar allerdings unterschlägt, weil ihn mit Silke Landauer (Helene Grass) eine besondere Beziehung verbindet. Und dann ist da noch die einzige Hausärztin weit und breit: Olda Nolde (Katharina Schüttler) wirkt ein bisschen überdreht und legt zu Beginn, als Silke und Stiller zum Abendessen gekommen sind, mit dem Gatten (Johann von Bülow) eine Tanzdarbietung aufs Parkett, als seien ihre Gäste die "Let’s Dance"-Jury. Auch sie hütet ein Geheimnis: Die Allgemeinmedizinerin ist eine Frau zwischen Höhenrausch und Absturz.

Die "Wendland"-Episoden beginnen stets mit einem Zitat Stillers aus seinem jüngsten Werk, schließlich pflegt der Kommissar seine Fälle schriftstellerisch zu verarbeiten. Diesmal muss er sich die akustische Ebene jedoch mit Lubina teilen: Die Museumsleiterin hat ganze Kindergenerationen mit ihren Erzählungen von einheimischen Märchen fasziniert. Stillers Kollege Klasen (Malte Thomsen) hat sogar eine Kassette mit den größtenteils gruseligen Geschichten, die zwischendurch immer wieder erklingen.

Ein weiterer Grund, aufmerksam hinzuhören, ist die Musik (Christoph Zirngibl), die mit ihrer Mischung aus Leutseligkeit und Spannungssteigerung die perfekte Untermalung für die sich nicht nur wegen Oldas Stimmungsschwankungen ständig ändernde Atmosphäre ist. Regie führte Bruno Grass, der auch die letzten beiden "Wendland"-Krimis inszeniert hat und mit Hilfe vieler schwungvoller Kamerafahrten (Bildgestaltung: Tobias Schmidt) geschickt kaschiert, dass der Film ziemlich textlastig ist.

Kurz vor Schluss erfreut Grass durch eine detailliert konzipierte Parallelmontage aus Gegenwart und Vergangenheit, als Silke im Wald den gleichen Weg zurücklegt wie vor Jahrzehnten als Kind. Zum allerdings nicht übermäßig spannenden Finale zeigt sich auch, dass die Fledermäuse ihre Mitwirkung keineswegs nur der Nähe zum "Vampirzinnober" zu verdanken haben.