Meine Männer
True-Crime-Roman über eine mysteriöse Serienmörderin im 19. Jahrhundert.
Belle Gunness gilt als erste Serienmörderin Amerikas. Sie soll etwa 40 Menschen getötet haben. Als Motiv gelten Habgier oder eine psychopathische Lust am Morden. Die norwegische Autorin Victoria Kielland nähert sich Belle auf literarische sehr besondere Weise. Als junge Magd in Norwegen erfährt sie traumatisierende Gewalt durch den Hoferben und versucht bei ihrer Schwester in Amerika einen Neubeginn. Doch die Folgen der brutalen Ereignisse nehmen ihren psychopathischen Lauf. Kielland wählt eine irritierende Erzählform, in der sie sich in die Gefühle und Logik der jungen Frau hineinversetzt. Bildstark und poetisch begibt sich die Autorin auf eine Reise, die ihre Leser:innen stark fordert. Denn wer konkrete Mordszenen wie in einem Thriller oder gar Lösungen für das mysteriöse Mordgeschehen erwartet, wird enttäuscht. Kielland bleibt bis zum Schluss ganz bei Belle und ihrer Gedankenwelt. Irritierend bis verstörend und literarisch anspruchsvoll. Literarisch anspruchsvoll, keine leichte Lesekost, kein Krimi! Katharina Katz
Kielland, Victoria: Meine Männer. Roman. Victoria Kielland. Dt. von Elke Ranzinger. Stuttgart: Tropen 2023. 185 S. ; 21 cm. Aus d. Norw.
ISBN 978-3-608-50183-4, geb.: 22 €
Verdammt wütend
Welches Potenzial hat Wut, die schon lange schwelt? Eine befreiende und beklemmende Lektüre zugleich.
Überforderung, Zorn, Hilflosigkeit und endloser Frust: Dieser Gefühscocktail ist es, der Britt eines Sommermorgens im gemütlichen Ferienhaus vor versammelter Mannschaft schlicht austicken lässt. Sie staucht ihren Mann, die gemeinsame kleine Tochter sowie die befreundete Familie zusammen und rennt davon. Einen Tag und eine Nacht verbringt sie fort von allen Verpflichtungen – und reflektiert, was es bedeutet, eine Frau in der gegenwärtigen Gesellschaft zu sein. Gleich einem Gewitterblitz erhellt Linn Strømsborgs neuer Roman eine Momentaufnahme, nur um gleich darauf dem Donnerschwarz wieder die Bühne zu überlassen. Lösungen, die übers Individuelle hinausgehen, finden sich nämlich nicht. Weiblich gelesene Personen ertappen sich während des Lesens vermutlich beim zustimmenden Nicken, genießen das Gefühl des Gesehen-Werdens. Allen anderen täte es vielleicht gerade deshalb gut, sich auf die Lektüre einzulassen. Feministischer Roman. Mara Becker
Strømsborg, Linn: Verdammt wütend. Roman. Linn Strømsborg. Dt. von Karoline Hippe. Köln: DuMont 2024. 222 S. ; 21 cm. Aus d. Norw.
ISBN 978-3-8321-6843-8, geb.: 23 €
Armes Ding
Zwei Einsame finden in der norwegischen Abgeschiedenheit zueinander und fliehen in die aufregende Großstadt Oslo.
Der junge Oskar arbeitet für Kost und Logis auf dem abgelegenen Hof der Familie Blum. Eines Tages findet er im Wald ein verwahrlostes, nicht sprechendes Kind, fängt es ein und nimmt es mit auf den Hof. Unter seiner Fürsorge entwickelt sich das Mädchen rasch zu einer jungen Frau und die beiden beginnen eine ungestüme Liebesbeziehung. Als Nachbarn von ihr erfahren, fliehen Oskar und "Sonder", wie sie sich dann nennt, nach Oslo. Dort geraten sie unter den Einfluss von Tommy Blum, dem entfremdeten Sohn der Hofbesitzer, der "Sonder" in die feine Gesellschaft einführt und sie als exotisches "Prunkstück" präsentiert. Oskar fühlt sich zunehmend isoliert, verfällt der Tabaksucht, und die Situation eskaliert schließlich.
Der Roman besticht durch seine spannende und ungewöhnliche Handlung, besonders zu Beginn. Die unkonventionelle, teils derbe Erzählweise und die unbestimmte zeitliche Einordnung verleihen der Geschichte eine andersartige und faszinierende Atmosphäre. Über Nähe und Entfremdung, Einsamkeit und Zugehörigkeit ließe sich anhand des Romans diskutieren. Marie Tronnier
Faldbakken, Matias: Armes Ding. Roman. Matias Faldbakken. Dt. von Max Stadler. München: btb 2024. 219 S. ; 21 cm. Aus d. Norw.
ISBN 978-3-442-76266-8, geb.: 22 €
Herzensbrecher
Eine Mutter emanzipiert sich von ihrem Sohn.
Herzensbrecher – nie war ein Buchtitel irreführender als dieser und doch auch wieder zutreffend. Denn Ragnar bricht Herzen, besonders das seiner Mutter Jonetta. Er trinkt, stiehlt, macht Schulden, verliert seinen Job und quartiert sich kurzerhand bei seiner Mutter ein. Mit ihr fährt er in ihre Blockhütte in den norwegischen Wald in den Urlaub und lässt sich von ihr bedienen. Jonetta ist erschöpft von ihrer Arbeit in der Großküche und sehnt sich nach Ruhe, nach der Stille im Grünen. Aber sie klagt nicht, er ist doch ihr Sohn. Erst als er sich ins Delirium trinkt und sie ihn ins Krankenhaus bringen muss, ist sie mal für sich und kann nachdenken. Mit dem aufgestauten Groll bricht sich eine Erkenntnis Bahn: Es reicht! Wie es Jonetta langsam gelingt, Grenzen zu ziehen und sich selbst als Person hinter der Mutterrolle wiederzufinden, das ist psychologisch schlüssig und packend erzählt. Der Aufruhr in ihrem Inneren spiegelt sich auch in Ragdes teils atemloser Erzählweise, die nur bei den Naturschilderungen zur Ruhe kommt. Ein großartiger Frauenroman. Für Literaturkreise sehr zu empfehlen. Claudia Puschmann
Ragde, Anne B.: Herzensbrecher. Roman. Anne B. Ragde. Dt. von Gabriele Haefs. München: btb 2024. 314 S. ; 19 cm. Aus d. Norw.
ISBN 978-3-442-77384-8, kt.: 12 €
Himbeereis am Fluss
Kinder erleben Abenteuer auf norwegisch - naturverbunden, ursprünglich, bedeutend.
Viele Lacher beschert dieses mit Abenteuer vollgepackte Buch, der Autorin Maria Parr. Verständlich, dass sie zu den erfolgreichsten Autorinnen in der norwegischen Kinderliteratur zählt. Die Geschwister Ida und Oskar erleben in gut lesbaren Kapiteln, die unterschiedlichsten Abenteuer. Von lustig über spannend und tiefgründig ist alles dabei. Am besten gefällt mir das Kapitel in welchem die komplette Familie an einem Magen-Darm-Infekt leidet und Oskar als Einziger im Stande ist, den Lebensmitteleinkauf der Familie zu bewerkstelligen. Da Oskar noch nicht lesen und schreiben kann, merkt er sich die Einkaufsliste. Was dabei rauskommt, bringt den Leser zum Schmunzeln. Auch der Verlust des Onkels ist liebevoll und auf kindliche Art beschrieben. Kinder sehen die Welt mit viel offeneren Augen und sprechen aus, was sie bewegt und berührt, dies bringt die Autorin perfekt rüber. Viele Kinder finden sich in den Geschichten sicher wieder. Sonja Schmiedel
Parr, Maria: Himbeereis am Fluss. Maria Parr. Ill. von Åshild Irgens. Dt. von Christel Hildebrandt. Hamburg: Dressler 2024. 204 S. : Ill. ; 22 cm.
Aus d. Norw. ISBN 978-3-7513-0125-1, geb.: 15 €
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