Jena (epd). Für den Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl sind nach den Worten des Soziologen Axel Salheiser auch die anderen Parteien verantwortlich. Es sei entscheidend gewesen, „dass sie die Narrative der AfD in der Öffentlichkeit verbreitet haben“, sagte der Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Vor allem im Bereich Migration hätten die meisten Parteien versucht, AfD-Wähler zurückzugewinnen, indem man den Kurs der in Teilen rechtsextremen Partei kopiere, erklärte Salheiser. Von solch einer Strategie sei „dringend abzuraten“, die Forschung sei hier eindeutig, dass dies nur den Populisten helfe. „Es wurde dennoch getan“, sagte er.
Als Resultat habe die Union das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik erzielt. „Wenn man ähnliche Töne anschlägt und Situationen ähnlich bewertet, erhöht das die Glaubwürdigkeit der AfD“, sagte Salheiser. Die Mitte rücke nach rechts, die AfD werde enttabuisiert.
Die AfD habe auch von schwindendem Vertrauen in etablierte Institutionen und Parteien profitiert, erläuterte der Soziologe. Aus der Forschung wisse man, dass „Vertrauen sehr stark output-orientiert“ sei, also von der Frage abhänge, welche Ergebnisse der Staat liefere. Daher spiele die zunehmende soziale Ungleichheit durchaus eine Rolle. Es gebe die Wahrnehmung, dass Staat und Parteien ihren Aufgaben nicht mehr nachkämen.
Die soziale Entsicherung wird nach Salheisers Worten verstärkt durch eine „Rhetorik des Untergangs“, die sich in der Wirklichkeit nicht widerspiegele. Es sei belegbar, dass Menschen ihre eigene wirtschaftliche Lage als viel besser bezeichneten als die gesamtgesellschaftliche, das Konsumniveau steige, sagte der Forscher: „Auch Dinge, die keiner objektiven Überprüfung standhalten, können politische Relevanz entfalten.“
Zu diesen Dingen gehört laut Salheiser die Migrationsdebatte. Über eine veränderte Migrationspolitik oder bessere Integration zu diskutieren, sei legitim, müsse aber an Fakten gebunden sein. Die behauptete Einwanderung in die Sozialsysteme gebe es so nicht. Die Debatte sei „unredlich, denn Menschen, die als Arbeitskräfte nach Deutschland kommen, haben ja auch Anspruch darauf, Sozialleistungen zu bekommen“, sagte der Forscher. Darüber hinaus würden Asylsuchende in den ersten Jahren von Arbeit ferngehalten. In der politischen Kommunikation komme das aber kaum an: „Der Diskurs ist seit Jahren vergiftet.“
Die Forschung zeige, dass mangelndes Vertrauen statistisch stark zusammenhänge mit geringem politischem Wissen, Interesse und Partizipation, sagte Salheiser. Er nannte die langfristige Stärkung von Vertrauen in den Staat und in demokratische Institutionen als eine Aufgabe, die weit vorn auf der politischen Agenda stehen müsse.