Volles Klassenzimmer im Religionsunterricht

Holzkreuz liegt auf Tisch
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Der Lehrplan für evangelische und katholische Religion ist gerade in den niedrigen Jahrgangsstufen ohnehin sehr ähnlich, sagt Religionspädagoge Thomas Enser.
Katholisch & Evangelisch
Volles Klassenzimmer im Religionsunterricht
Seit diesem Schuljahr werden in einem Modellprojekt katholische und evangelische Kinder in der 1. und 2. Klasse gemeinsam in Religion unterrichtet. In den Schulstunden zeigt sich: Die Konfession spielt hier noch kaum eine Rolle.

"Das war schon ziemlich blöd", sagt ein Mädchen der 2. Klasse an der Grundschule Kemmern (Landkreis Bamberg). Sie hätte gerne auch so einen schönen Umhang getragen wie das andere Kind, das gerade im Klassenzimmer umherstolzieren durfte. Für dieses war es "cool", für den Moment etwas Besonderes zu sein, aber es hat auch die Blicke der anderen mitbekommen, die laut Auftrag von Religionslehrer Thomas Enser böse oder neidisch gucken sollten.

Das Thema im Religionsunterricht an diesem Tag ist die Geschichte von Josef und seinen Brüdern aus dem Alten Testament. Josef wird als Jüngster und Lieblingssohn von seinem Vater Jakob bevorzugt, bekommt von ihm sogar ein besonderes Kleidungsstück. Dadurch entsteht ein Konflikt mit seinen Brüdern. Die Kinder lauschen interessiert der Geschichte. Es geht viel um Gefühle, mit denen sie sich identifizieren können, wie etwa Neid oder Wut, und um Ängste und Wünsche in einer Familie.

Die Erzählung von Josef ist ein typisches Thema für den Religionsunterricht in der Grundschule. Untypisch ist die Zusammensetzung der Klasse: 17 der Kinder sind katholisch, vier evangelisch. Unterrichtet werden sie das ganze Schuljahr lang von einem evangelischen Religionslehrer. Möglich macht das der "Konfessionelle Religionsunterricht kooperativ" (KoRUk), der seit dem Schuljahr 2024/25 als Modell an mehreren Schulen getestet wird. Eine Lehrkraft unterrichtet dabei Kinder aus verschiedenen Konfessionen gemeinsam, behält aber auch die konfessionellen Unterschiede im Blick.

Bereits seit fünf Jahren gibt es in Bayern an Grund-, Mittel- und Berufsschulen Projekte, bei denen Kinder verschiedener christlicher Konfessionen gemeinsam unterrichtet werden, sagt Stefanie Lorenzen, Professorin für evangelische Theologie an der Universität Bamberg. Das soll die Organisation erleichtern, wenn es zu wenige Kinder für einen konfessionellen Unterricht oder zu wenige Lehrkräfte gibt. Gerade in Oberfranken gibt es viele dieser Modellklassen, denn es dominiere nicht eine einzelne Konfession, sondern je nach Kommune gebe es starke Unterschiede, erklärt der Bamberger Professor Konstantin Lindner vom Institut für katholische Theologie. Lorenzen hält dieses Modell für zukunftsweisend.

"Es ist wichtig, die vielen gemeinsamen Themen, die es gibt, zu stärken, und erst danach schauen, welche Unterschiede es gibt."

"Lebensweltlich sind die Kinder und Jugendlichen gar nicht mehr so sehr mit ihrer eigenen Konfession beschäftigt. Sie sollen auch lernen, mit anderen Konfessionen in den Dialog zu kommen." Der KoRUk könne dies ermöglichen - immer in Verbindung mit dem Kennenlernen der eigenen Konfession. "Die Lehrkräfte nehmen es sehr ernst, dass die Schülerinnen und Schüler mit ihren je eigenen Konfessionen im Unterricht sitzen", sagt Lindner. Dies werde auch in der Ausbildung der angehenden Religionslehrkräfte berücksichtigt, seit mehreren Jahren gebe es verpflichtende kooperative Module an der Uni Bamberg. Lehrkräfte, die schon aktiv sind, bekommen Fortbildungen.

In den Schulstunden zeigt sich, die Konfession spielt hier noch kaum eine Rolle. Religionslehrer Thomas Enser freut sich über ein volles Klassenzimmer und interessierte Kinder.

Der Lehrplan für evangelische und katholische Religion ist gerade in den niedrigen Jahrgangsstufen ohnehin sehr ähnlich, sagt Religionspädagoge Thomas Enser. Ab der dritten Klasse, wenn beispielsweise die Kommunion bei den katholischen Kindern ein Thema wird, komme die Konfession dann häufiger vor. Auch, wenn es im Unterricht um das Kirchenjahr und Feste geht, gebe es Unterschiede, die herausgearbeitet werden sollen. "Aber mir ist eben wichtig, dass wir die vielen gemeinsamen Themen, die es gibt, stärken, und erst danach schauen, welche Unterschiede es gibt", sagt Enser.

Da seine katholische Kollegin nicht mehr an der Grundschule Kemmern arbeitet, hat er in diesem Schuljahr den gemeinsamen Unterricht für die 1. und 2. Klassenstufe übernommen, auch mit Zustimmung der Eltern. "Ich freue mich darüber, denn ich habe ein volles Klassenzimmer", sagt er. Für die Kinder sei es weniger anstrengend, in dem Fall für die evangelischen. Sitzen sie nur zu viert im Religionsunterricht, seien sie viel stärker gefordert als in einer größeren Gruppe. Auch die Kinder freuen sich, dass sie alle zusammenbleiben können. "Jetzt ist meine beste Freundin auch bei mir", sagt ein Kind.

Auf die Frage, ob sie evangelisch oder katholisch ist, muss ein anderes Mädchen erst einmal überlegen. "Evangelisch", legt es sich nach etwas Hilfe von Mitschülerinnen fest. "Sie ist aber katholisch", sagt Enser mit einem Zwinkern. Für die Zukunft wünscht sich Lindner mehr Kooperation zwischen Evangelisch und Katholisch, aber auch mit orthodoxen Konfessionen. Spannend bleibe es, in welche Richtung die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts an anderen Schulen, wie an Realschulen oder Gymnasien, gehe. Diese sei gegenwärtig in Bayern nicht auf der offiziellen Agenda.