Allensbach-Chefin Köcher: Menschen verlieren Geduld mit der Politik

Allensbach-Chefin Köcher: Menschen verlieren Geduld mit der Politik

Frankfurt a.M. (epd). Aus Sicht der Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher, wachsen in Deutschland Ungeduld beim Lösen von Problemen und Zweifel an demokratischen Aushandlungsprozessen. Die Menschen würden unsicher, ob die langwierigen Entscheidungsprozesse und das mühsame Aushandeln von Kompromissen, wie sie das politische System in Deutschland und Europa prägen, den Herausforderungen gewachsen sind, sagte Köcher der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag) knapp zwei Wochen vor der vorgezogenen Bundestagswahl.

Nach wie vor sei eine große Mehrheit zwar überzeugt, dass es zur Demokratie keine überzeugende Alternative gibt, und es gebe keine mehrheitliche Zustimmung zu einem Systemwechsel. „Aber die Schwerfälligkeit Deutschlands und Europas, wichtige Maßnahmen umzusetzen, irritiert die Bürger zunehmend“, sagte Köcher. Das führe auch dazu, „dass durchaus ein Resonanzboden für Personen und Parteien besteht, die hier Abhilfe versprechen“. Angesichts der Befremdung über US-Präsident Donald Trump werde übersehen, „dass es durchaus viele fasziniert, wenn jemand sich brachial gegen Establishment, Konventionen, Regeln, Verträge und Vorstellungen von Political Correctness wendet“.

Ob eine Radikalisierung droht, hängt nach Köchers Einschätzung davon ab, „wieweit die Probleme, die die Bevölkerung besorgniserregend findet, konsequent angepackt werden und die Bürger auch wieder Vertrauen zurückgewinnen, dass die Politik ihre Besorgnis ernst nimmt“. Zurzeit gebe es ein ausgeprägtes Empfinden von Entfremdung.

„Wichtig ist auch, dass die gemäßigten Parteien sich wieder als klar konturierte Alternativen zeigen“, sagte Köcher: „In den vergangenen Jahren wurden die Unterschiede in den Positionen, die es ja durchaus gibt, oft durch die Suche nach Kompromissen und Konsens verdeckt, natürlich auch befördert durch die wechselnden Koalitionen.“