Mögliche Reform des Abtreibungsrechts weiter umstritten

Mögliche Reform des Abtreibungsrechts weiter umstritten
In seiner letzten Sitzung vor der Neuwahl könnte der Bundestag über eine Reform des Abtreibungsrechts abstimmen. Ein Vorschlag zur Entkriminalisierung hat viele Unterstützer, bleibt aber umstritten. Es ist fraglich, ob er das Plenum noch erreicht.

Berlin (epd). Eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Deutschland bleibt umstritten. In einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags erhielt am Montag ein Gesetzentwurf, der Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase nicht mehr unter Strafe stellen will, Zustimmung und Widerspruch. Ob es noch zur Abstimmung über den Gesetzentwurf kommt, ist offen. Am Dienstag tagt das Plenum des Bundestags absehbar letztmals in dieser Wahlperiode. Um den Gesetzentwurf auf die Tagesordnung zu setzen, müssten FDP oder Union am Montagabend einer Abstimmung zustimmen.

Der Gruppenantrag von Abgeordneten aus den Reihen von SPD, Grünen und der Linken sieht vor, dass Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche nicht mehr im Strafrechtsparagrafen 218 geregelt werden, also grundsätzlich erlaubt sind. Die Beratungspflicht für Frauen soll beibehalten, die Wartezeit von drei Tagen zwischen Beratung und Abbruch aber gestrichen werden. Die Kosten sollen künftig die Krankenkassen übernehmen. 328 Abgeordnete haben den Entwurf mitgezeichnet.

Die Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf begrüßte den Entwurf, weil er von der derzeitigen Kriminalisierung zum „Recht auf Schwangerschaftsabbruch“ führen würde. Dies würde den Grundrechten von Frauen, insbesondere dem Persönlichkeitsrecht, besser gerecht. Brosius- Gersdorf gehörte in dieser Wahlperiode der von der Bundesregierung berufenen Kommission zur Prüfung der Regelung für Schwangerschaftsabbrüche an, die für Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase eine Regelung außerhalb des Strafrechts empfohlen hatte. Der Strafrechtler Michael Kubiciel beurteilte den Gesetzentwurf dagegen als nicht vereinbar mit der Verfassung. Er verwies auf den Schutz des ungeborenen Lebens.

Die Gynäkologin Alicia Baier sieht in dem Gesetzentwurf nach eigenen Worten eine Chance zur Verbesserung der Versorgungslage von Frauen. Die aktuelle Rechtslage schrecke viele Ärztinnen und Ärzte davon ab, Abbrüche vorzunehmen, sagte Baier, die dem Vorstand der Organisation „Doctors for Choice Germany“ angehört.

Die Gesundheitswissenschaftlerin Rona Torenz, die im Rahmen der „Elsa“-Studie die Versorgungslage ungewollt schwangerer Frauen untersucht hatte, begrüßte die mit der Legalisierung verbundene Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Die Daten zeigten, dass etwa jede fünfte Person, die eine Schwangerschaft in Deutschland abbricht, Schwierigkeiten habe, für die Kosten rund um den Schwangerschaftsabbruch aufzukommen, hieß es in ihrer Stellungnahme. Der Berliner Gynäkologe Matthias David bestritt dagegen Versorgungsmängel. „Die Versorgungslage mit Schwangerschaftsabbrüchen ist nicht prekär“, hieß es in seiner Stellungnahme.

Vor der Anhörung hatte ein Bündnis von Organisationen am Montag vor dem Bundestag für die Gesetzesänderung protestiert und eine Petition mit mehr als 300.000 Unterschriften an Abgeordnete übergeben. Mehrere Dutzend Protestierende, darunter mehrheitlich Frauen, forderten auf Plakaten „Weg mit §218!“ und riefen „My body, my choice“ (Mein Körper, meine Entscheidung). Dem Zusammenschluss gehören Gewerkschaften, Sozialverbände und Frauenorganisationen an, darunter unter anderem die Evangelischen Frauen in Deutschland, der DGB und ver.di sowie UN Women Deutschland und die AWO. Sie verweisen auf die verschiedenen Umfragen zufolge hohe Zustimmung zu einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts in der Bevölkerung.