Berlin (epd). In Deutschland fehlen eine Studie zufolge Hunderttausende bezahlbare Wohnungen, Tendenz steigend. Die Untersuchung wurde am Mittwoch vom Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ veröffentlicht. Die Verbände fordern einen Sonderfonds abseits der Schuldenbremse, aus dem jährlich elf Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau fließen sollen. Das Thema sei „elementar“ für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, mahnte der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger.
Seit Mitte der 90er Jahre ist die Zahl der Sozialwohnungen kontinuierlich gesunken auf zuletzt nur noch gut eine Million, wie es in der Studie des Pestel-Instituts heißt. Aktuell fehlen in Deutschland demnach rund 550.000 Wohnungen, darunter vor allem Sozialwohnungen und anderer bezahlbarer Wohnraum. Für 2025 sei mit „sinkender Bautätigkeit“ zu rechnen, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Matthias Günther vom Pestel-Institut bei der Präsentation in Berlin.
Zugleich werde aber der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum steigen: In den nächsten zehn Jahren gingen viele Babyboomer in den Ruhestand, die teils nur mit einer kleinen Rente rechnen könnten, sagte Günther. Um sie zu ersetzen, brauche Deutschland „hohe Zuwanderung“ von Arbeitskräften, die dann auch eine Wohnung benötigten.
Gewerkschaftschef Feiger sagte, für eine „echte Trendwende“ beim sozialen Wohnungsbau seien jedes Jahr 100.000 neue Sozialwohnungen nötig und zudem 75.000 Wohnungen mit Sozialbindung im Bestand. Bund, Länder und Kommunen müssten dafür „verbindliche Sozialwohnungsziele“ vereinbaren. Ein von Bund und Ländern finanzierter milliardenschwerer Sonderfonds für den Sozialwohnungsbau müsse im Grundgesetz verankert werden.
Um das vom Verbändebündnis ausgegebene Ziel von zwei Millionen Sozialwohnungen im Jahr 2030 zu erreichen, müssten sogar 210.000 neue Wohnungen jährlich geschaffen werden. Der eigentliche Bedarf liegt noch weit höher, wie die Geschäftsführerin des Caritas-Fachverbands Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP), Janina Bessenich, sagte: „Auf dem Papier“ hätten rund elf Millionen Haushalte Anspruch auf eine Sozialwohnung, sagte sie. Wegen der enormen Knappheit forderte Bessenich eine verbindliche Quote, damit zehn Prozent aller Sozialwohnungen an Menschen mit Behinderungen vergeben werden.
Um den Wohnungsbau anzukurbeln, hält das Verbändebündnis auch eine Senkung der Baukosten für nötig. Dabei könne dem Beispiel Schleswig-Holsteins gefolgt werden, wo für sozialen Wohnungsbau ein spezieller Baustandard gilt, der etwa dünnere Wände und geringere Dämmung erlaubt. Außerdem solle die Mehrwertsteuer auf Bauleistungen auf sieben Prozent gesenkt werden, wenn es um neue Wohngebäude mit einem hohen Anteil an Sozialwohnungen gehe, erklärten die Verbände. Zum Bündnis „Soziales Wohnen“ gehören neben IG BAU und CBP auch der Deutsche Mieterbund und Verbände der Bauindustrie.