Kirche setzt auf Sparkurs und Neugestaltung

Präses Thorsten Latzel auf der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland.
epd-bild/Meike Boeschemeyer
Präses Thorsten Latzel auf der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bonn.
Synode der Rheinischen Kirche
Kirche setzt auf Sparkurs und Neugestaltung
Prekäre Haushaltslage, hohe Austrittszahlen und Reformdruck: Auch die rheinische Kirche steckt in einer Krise. Präses Latzel setzt auf eine "zukunftsorientierte Neugestaltung". Die zweitgrößte Landeskirche könne auch künftig für andere da sein.

Die Evangelische Kirche im Rheinland steht nach den Worten ihres leitenden Theologen Thorsten Latzel angesichts massiver Sparzwänge vor einer Neugestaltung. Um weiter für andere da zu sein, müsse die zweitgrößte deutsche Landeskirche relevant für die Menschen und flexibel in den Formen sein, sagte der Präses am Montag vor der rheinischen Landessynode in Bonn. Das Kirchenparlament der 2,1 Millionen rheinischen Protestanten soll in dieser Woche Einsparungen von mindestens 33 Millionen Euro auf den Weg bringen, das werde "auch den schmerzhaften Abschied von manchen wertvollen Arbeitsfeldern einschließen".

Trotz Inflation und Wirtschaftskrise, der höchsten Quote an Kirchenaustritten seit der Nachkriegszeit und eines "tiefen Abbruchs religiöser Verbundenheit zwischen den Generationen" will Latzel die Kirche nicht auf ihre Krisen reduziert sehen. "Gerade auch im Prozess des Kleiner-Werdens und bei der anstehenden Haushaltskonsolidierung" müsse in den strategischen Finanzüberlegungen mit Gott gerechnet werden, sagte er. Statt lobbyistischer Bestandssicherung gehe es um "eine zukunftsorientierte Neugestaltung von Kirche - geleitet von den Gaben Gottes und den Herausforderungen der Kirche in unserer Zeit".

Die Ausgaben im landeskirchlichen Haushalt sollen in den kommenden Jahren um gut ein Fünftel reduziert werden. Einschnitte soll es etwa bei der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (KiHo) durch einen Umbau zu einem theologischen Bildungscampus geben. Latzel sprach von einer Reaktion auf "die Bildungsherausforderungen unserer Zeit", auch Ehrenamtliche benötigten mehr theologische Bildung. Von zentraler Bedeutung seien zudem der Religionsunterricht und die Konfirmandenarbeit. Zu den Stärken kirchlicher Arbeit zählt Latzel auch evangelische Kitas und die diakonische Arbeit, die zu gemeindlicher Kirche gehöre. Der Theologe beklagte, dass der Sozialstaat in Zeiten verschärfter sozialer Probleme an vielen Stellen massiv zurückgebaut werde.

Migration ist nicht die "Mutter aller Probleme"

Heftige Kritik äußerte der rheinische Präses in seinem traditionellen Jahresbericht an einer Instrumentalisierung der Anschläge von Aschaffenburg, Magdeburg und Solingen zur Legitimation von Asylverschärfungen. "Eine notwendige Sicherheitsdebatte wird hier in unseliger Weise auf Kosten von Menschenrechten und gelungener Integration geführt", sagte er und forderte eine Versachlichung der Debatte. Migration sei "nicht die Mutter aller Probleme" und Asyl "kein Thema für einen politischen Überbietungswettbewerb im Wahlkampf".

Es habe ihn in der vergangenen Woche "erschreckt", wie das demokratische Lager gespalten gewesen sei und die AfD davon profitiert habe. Am Mittwoch hatten Union, FDP und AfD gemeinsam für eine verschärfte Migrationspolitik gestimmt. Latzel forderte die demokratischen Parteien auf, sich vor der Bundestagswahl am 23. Februar nicht "zerlegen oder auseinanderdividieren" zu lassen. "Wir werden nach der Wahl sehr wahrscheinlich Koalitionen brauchen von Menschen, die zusammenarbeiten", sagte der 54-jährige Theologe. Dazu brauche es Kompromissfähigkeit.

Ähnlich äußerte sich der rheinland-pfälzische Regierungschef Schweitzer: "Wir müssen wieder dafür werben, dass zu einer demokratischen Kultur auch gehört, dass man sich auf den Konsens hin bewegt und dass man dann sagt: Ich stehe hinter gemeinsamen Vorschlägen." Konsens sei ein Zeichen von Stärke und nicht von Schwäche.

Die Grundhaltung der AfD ist laut Latzel mit den Werten der christlichen Kirchen nicht vereinbar. Die Demokratie müsse sich wehrhaft zeigen, dazu "sollte man alle Instrumente bedenken". Das könnte ein Parteiverbot oder ein Ausschluss von staatlicher Finanzierung sein, dies sei Sache von Fachleuten.
Gefahr für die Demokratie geht nach den Worten des Theologen auch von sozialen Medien aus: "Es geht hier um die Grundinfrastruktur unserer Kommunikation, und die ist in den Händen von einigen populistischen Superreichen." Zuletzt hatte der US-Multimilliardär Elon Musk als Besitzer der Plattform X unter anderem zur Wahl der AfD aufgerufen.

 

Zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte Latzel: "Wir müssen heraus aus diesem Krieg und seiner Logik von Gewalt." Allerdings brauche es einen gerechten Frieden, der nicht auf Kosten der Menschen in der Ukraine gehe. Im Nahost-Konflikt seien die Waffenruhe und die Freilassung israelischer Geiseln durch die Terrororganisation Hamas ein Hoffnungszeichen. Auch in diesem Konflikt gelte es diejenigen zu unterstützen, die sich für Frieden engagieren.

Die Landessynode ist das oberste Beratungs- und Entscheidungsorgan der rheinischen Kirche. Die 191 stimmberechtigten Mitglieder befassen sich bis Freitag mit einer Reihe von Vorlagen und Kirchengesetzen, wählen einen Teil der Kirchenleitung neu und verabschieden den Haushalt.