Bonn (epd). Der rheinische Präses Thorsten Latzel hat sexualisierte Gewalt als „Verrat am Geist Christi“ bezeichnet. „Sie verkehrt, wofür Kirche steht, in ihr Gegenteil“, sagte der Theologe am Montag in Bonn in seinem Jahresbericht vor der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Es ist an uns, zu handeln und alles daranzusetzen, dass Menschen so etwas nicht erleben müssen.“
„Es ist beschämend, was Menschen in unseren Gemeinden und Einrichtungen erleiden mussten und wie oft danach mit ihnen umgegangen wurde, dass ihnen allzu oft nicht zugehört oder geglaubt wurde“, sagte der leitende Theologe der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland. „Durchschnittlich sieben Menschen mussten Betroffene ansprechen, bis ihnen endlich geglaubt wurde.“
In der Meldestelle für Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt der rheinischen Kirche wurden nach deren Angaben zwischen 2021 und 2024 insgesamt 124 Betroffene gemeldet. Die Zahl der Tatverdächtigen liegt bei 110, darunter 33 Theologen. Finanzielle Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids wurden den Angaben zufolge bisher 40 Betroffenen mit einer Gesamthöhe von 725.000 Euro bewilligt. Hinzu kämen 139 weitere Betroffene im rheinischen Gebiet der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Diese finanzielle Leistung entspricht insgesamt rund 2,2 Millionen Euro.
Im Januar vergangenen Jahres hatte ein unabhängiges Forscherteam die sogenannte ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie veröffentlicht. Die Forscher sammelten dafür Fallbögen aus allen Landeskirchen und aus Landesverbänden der Diakonie. Sie kamen in ihrer Auswertung auf mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte, darunter 511 Pfarrpersonen. Es wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen, da nicht alle vorhandenen Akten ausgewertet wurden und auch nicht alle Fälle aktenkundig wurden.