Es müssten in der Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen wie gerechtere Verteilschlüssel gefunden werden, sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, dem Magazin "Focus". Außerdem müsse es eine schnellere und leichtere Einwanderung von Fachkräften geben.
Die aktuelle Diskussion zum Thema Migration setzt nach Ansicht Fehrs zu sehr auf Abschreckung und befördere Vorurteile gegen alle zugewanderten Menschen. In der aufgerauten öffentlichen Debatte fokussiere sich alles auf die kleine Zahl von Gewalttätern. Seither werde in jedem Schutzsuchenden ein potenzieller Gewalttäter gesehen. "Das ist ein Zerrbild, das alle Geflüchteten ungerechtfertigt unter Verdacht stellt", kritisiert die Hamburger Bischöfin Fehrs laut Vorabbericht vom Freitag.
Sie unterstreicht, sie verstehe nach den Anschlägen von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg die Wut, die sich mit Trauer und Ohnmachtsgefühlen mische. Die Anschläge verunsicherten die Menschen zutiefst. Das öffne politischer Agitation die Türen. "Dabei soll unser aller Aufgabe doch immer sein, Vorurteile abzubauen und die Rechte der Schwächeren zu stärken", sagt Fehrs.
Zudem warnt Kirsten Fehrs vor einer weiteren gesellschaftlichen Polarisierung durch soziale Netzwerke. Die demokratische Debattenkultur sei "definitiv" gefährdet. "Gerade in Zeiten, wenn auf der einen Seite TikTok mit dem chinesischen Staat am Tisch sitzt, und auf der anderen Seite der Trump-Berater Elon Musk mit seiner Plattform X", so die Theologin.
In sozialen Netzwerken geht Wahrheit verloren
Es gehe dabei nicht nur das Gespräch verloren, "sondern auch die Wahrheit", erklärt Fehrs. Frühere vertrauenswürdige Kommunikationsräume würden allmählich verschwinden. "Das macht mir große Sorgen." Die Hamburger Bischöfin sieht auch Folgen für die Kirche. Diese sei eine Institution, die Zuversicht und Zusammenhalt stärke: "Beides wird im Zeitalter von Fake News schwieriger", sagt Fehrs.
Die Ratsvorsitzende plädiert dafür, wieder verstärkt "analoge Räume" für den Austausch zu schaffen. Sie verweist auf die im Sommer gestartete Initiative #VerständigungsOrte, die Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zusammenbringen soll: "Dort bieten Kirche und Diakonie Gesprächsorte und formate an, bei denen Menschen miteinander ins Gespräch kommen, die sonst wenig voneinander wissen."