Experte: "Den typischen Täter gibt es nicht"

Portät von Thomas Mücke, Mitbegründer und Co-Geschäftsführer von Violence Prevention Network.
Violence Prevention Network/FotoPloetz
"Den typischen Täter gibt es nicht", sagt der Geschäftsführer von Violence Prevention Network, Thomas Mücke, auch mit Blick auf den Anschlag von München.
Anschläge nehmen zu
Experte: "Den typischen Täter gibt es nicht"
Nach wiederholten Anschlägen in Deutschland ist die Sorge der Bevölkerung groß. Der Suche nach typischen Tatmotiven von Attentätern hat der Geschäftsführer von Violence Prevention Network, Thomas Mücke, eine Absage erteilt.

"Den typischen Täter gibt es nicht", sagt der Geschäftsführer von Violence Prevention Network, Thomas Mücke, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) auch mit Blick auf den Anschlag von München. Die alten Raster von Risikobewertung funktionierten nicht mehr: Auch jemand mit Migrationshintergrund könne einen rechtsextremen Anschlag verüben, auch ein scheinbar gut integrierter Geflüchteter könne sich radikalisieren. Das erschwere die Prävention von Attentaten, betont der Extremismus-Experte.

Ein besonderes Augenmerk müsse die Gesellschaft jedoch auf die junge Generation legen, denn seit rund zwei Jahren zeige sich eine starke Verjüngung in der Szene des religiösen Extremismus. "Zwei Drittel der Tatverdächtigen bei den seither 21 Anschlagsversuchen in Westeuropa waren zwischen 13 und 19 Jahren alt", erklärt Mücke. Jugendliche, die für ihr Leben wenig Perspektive sähen, seien anfälliger für extremistische Narrative. "Vor jeder Radikalisierung gibt es einen emotionalen Schmerz", betont der Fachbereichsleiter von "Religiös begründeter Extremismus".

Die Gesellschaft müsse sensibel sein, wenn Kinder und Jugendliche "sich nicht gut fühlen in ihrem Leben", und rechtzeitig Hilfe anbieten. Anders als früher finde Radikalisierung heute fast ausschließlich im Internet statt. "Von den Algorithmen geht eine große Gefahr für Kinder und Jugendliche aus, die in kürzester Zeit mit extremistischen, hasserfüllten Inhalten überflutet werden", erklärt Mücke.

Oft brauche es für einen Anschlag keine starke Radikalisierung, sondern nur das medial vermittelte Gefühl, mit der Tat Macht über Menschen ausüben zu können. Er forderte deshalb eine stärkere Regulierung der sozialen Medien nach australischem Vorbild, wo Plattformen wie Instagram oder TikTok neuerdings erst ab 16 Jahren erlaubt sind. Das bundesweit tätige Violence Prevention Network hat seinen Sitz in Berlin und betreibt Beratungsstellen in Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen.

Am vergangenen Donnerstag war ein Autofahrer in der Münchner Innenstadt in einen Demonstrationszug der Gewerkschaft ver.di gerast. 39 Menschen wurden verletzt, eine 37-jährige Mutter und ihre zweijährige Tochter starben am Samstag im Krankenhaus. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 24 Jahre alten Afghanen, der jetzt in Untersuchungshaft sitzt. Die Ermittler vermuten ein islamistisches Motiv.