"Gerade gestern (Mittwoch, Anm. der Redaktion) hat mich die Urkunde über meine 25-jährige CDU-Mitgliedschaft erreicht, zusammen mit einer Ehrennadel. Es sollte jedoch der Tag werden, an dem ich aus der Partei austrete, weil das Vorgehen von Friedrich Merz und der CDU/CSU Bundestagsfraktion, nämlich mithilfe der Stimmen der als rechtsextrem eingestuften AfD Politik zu machen und damit die von Friedrich Merz auch selbst bislang beschworene Brandmauer niederzureißen.
Mit 13 Jahren wollte ich Politik machen und bin, gemeinsam mit meinem besten Freund, über unseren Bürgermeister vor Ort zur Jungen Union und später zur CDU gekommen. Wir hatten den Eindruck, dort gehört zu werden und etwas bewegen zu können. Wir klebten Plakate im Wahlkampf, besuchten Rhetorik-Seminare, schmiedeten politische Pläne auf Vorstands- und Fraktionssitzungen. Die CDU war meine politische Heimat.
Während andere Plakate von Popstars an den Wänden der Jugendzimmer hingen, waren es bei mir Konrad Adenauer und Helmut Kohl. Gemeinsam mit der Union habe ich einen politischen Weg zurückgelegt und als ich schließlich Pfarrer wurde, war ich dankbar, mit Angela Merkel eine Bundeskanzlerin in Regierungsverantwortung zu wissen, die neben allen Herausforderungen der Zeit nie vergaß, dass Menschenwürde stets allen Menschen zuteilwerden muss, auch wenn das gesellschaftlich mitunter sehr herausfordernd ist.
Theologisch ist mir der franziskanische Gedanke wichtig geworden, der vor allem auch auf Mt 25 zurückgeht: Dass uns in jedem Menschen in Not Christus selbst begegnet. Und ja, das ist wahrlich nicht immer leicht, das im täglichen Denken und Handeln ernst zu nehmen. In der CDU habe ich immer ein großes Bewusstsein für die historische Verantwortung wahrgenommen, die Demokratie gegenüber den nie ganz verschwundenen Kräften des Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus zu verteidigen.
Ich hätte darum meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass die sogenannte Brandmauer hin zur AfD auch seitens der CDU Bestand hat. Die AfD versucht ja inzwischen nicht mehr im Geringsten, ihre pauschale Verachtung gegenüber ganzen Personengruppen zu vertuschen. Diese Partei agiert offen rassistisch, stellt die generelle Menschenwürde infrage und entfernt sich immer weiter von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Noch vor wenigen Wochen hatte Friedrich Merz versprochen, es werde niemals eine Zusammenarbeit mit der AfD etwa durch gemeinsam beschlossene Anträge geben.
"Das Vorgehen von Merz ist ein historischen Fehler und brandgefährlich."
Er ist ganz klar wortbrüchig geworden. Ich halte dieses Vorgehen für einen historischen Fehler und für brandgefährlich. In allen harten politischen Auseinandersetzungen, die ich in meiner Zeit in der CDU erlebt habe, hatte ich stets gespürt, dass die Verantwortung für die Demokratie und Menschenwürde an erster Stelle steht – vor allem Wahlkampf-Erwägungen. Es gab in diesem Bundestag keine demokratische Mehrheit für den Antrag der Union – es gab nur eine Mehrheit zusammen mit den Stimmen von Faschisten. Für mich war darum klar, dass ich aus der CDU austrete, weil ich diesen Wortbruch nicht billigen kann und dieses Vorgehen für eine Gefahr für unsere Demokratie halte.
Nach der Wahl, in einer ordentlich eingesetzten Regierung, wäre es die Gelegenheit gewesen, mit demokratischer Mehrheit zu beschließen, wofür es eben eine demokratische Mehrheit gibt. Ich bin der CDU dankbar für alles Prägende und Wertvolle und für viele Jahre stabiler Regierung für dieses Land – besonders für die zahlreichen engagierten Menschen vor Ort in den Stadt- und Ortsverbänden, in den Kommunalparlamenten und Ortsbeiräten. Diese Arbeit für das Gemeinwohl ist unendlich wertvoll und muss ausdrücklich gewürdigt werden. Ich hoffe und bete, dass die CDU sich wieder auf ihre alten Werte besinnt, die der als rechtsextrem eingestuften AfD ein Dorn im Auge sind."
evangelisch.de dankt Jörg Niesner für seinen Gastbeitrag.