Kongo: Präsident wirft Staatengemeinschaft "Untätigkeit" vor

Kongo: Präsident wirft Staatengemeinschaft "Untätigkeit" vor
Im Osten des Kongo eskaliert die Gewalt immer weiter. Leidtragende ist die Bevölkerung. Die M23-Miliz scheint derweil weitere Gebiete einnehmen zu wollen.

Nairobi, Goma (epd). Nach der Eskalation des Krieges im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat Präsident Félix Tshisekedi der internationalen Gemeinschaft „Untätigkeit” vorgeworfen. Tausende ruandische Soldaten seien auf kongolesischem Boden, sagte Tshisekedi in einer Fernsehansprache am Mittwochabend. Ruanda breche “offen und skrupellos” mit internationalem Recht. Doch kein Land habe bisher Konsequenzen aus diesem eklatanten Bruch des Völkerrechts gezogen. Derweil verschlechtert sich die humanitäre Lage in der Region immer weiter.

Tshisekedi versicherte, das kongolesische Militär mobilisiere alle Kräfte, um den Angriff auf die Souveränität seines Landes und die Stabilität der Region abzuwehren. Es war Tshisekedis erste Ansprache, seit die M23-Miliz mit ruandischer Unterstützung am Wochenende Goma, die Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu, eingenommen hat. Bisher scheint die Armee allerdings kaum Erfolg gegen den Vormarsch der Rebellen zu haben. Hunderte kongolesische Soldaten haben nach Angaben der Vereinten Nationen den Anweisungen der M23-Rebellen Folge geleistet und ihre Waffen bei der UN-Mission Monusco abgegeben. Laut der Bürgerbewegung Lucha ist das nächste Ziel der Miliz die Einnahme von Bukavu, der Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu.

Etwa zeitgleich mit Tshisekedis Ansprache fand online ein außerordentlicher Gipfel der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft EAC statt. Ruandas Präsident Paul Kagame kritisierte Tshisekedis Abwesenheit und dass die EAC bisher nicht an einem Strang gezogen habe, um die Lage im Ostkongo zu entschärfen. Er ging nicht auf die Beteiligung seiner Truppen ein. Die Staatschefs riefen zu einer Waffenruhe auf, beschlossen aber keine konkreten Maßnahmen. Der Kongo solle umgehend Verhandlungen mit allen beteiligten Akteuren aufnehmen, heißt es in der Erklärung.

Derweil verschärft sich die humanitäre Situation weiter. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef wurden seit November in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu 658.000 Menschen vertrieben - darunter mindestens 282.000 Kinder. Hunderttausende Geflüchtete, die im vergangenen Jahr in Vertriebenenlagern rund um Goma Zuflucht gefunden haben, seien nun wieder auf der Flucht. „Die Menschen haben traumatische Erlebnisse hinter sich, sie sind hungrig, durstig und erschöpft“, erklärte der Unicef-Leiter im Kongo, Jean Francois Basse.

Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ und das Rote Kreuz sprachen von hunderten Kriegsverletzten und Toten, sie fordern dringend den Schutz der Hilfskräfte. Nach Angaben der Bundesregierung stören Ruanda und die M23 gezielt die GPS-Signale von Flügen zur humanitären Hilfe. Ruanda müsse seine Unterstützung für M23 umgehend einstellen, forderte die Beauftragte für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Luise Amtsberg.

Nachdem zwölf Soldaten der Militärmission der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), die zur Unterstützung der kongolesischen Armee im Einsatz sind, in den vergangenen Tagen getötet wurden, denkt das Bündnis über einen Rückzug nach. Die Entscheidung könnte bereits am Donnerstag bei einer Sondersitzung fallen. Die Mission wurde auf Bitten des Kongo im Mai 2023 beschlossen.

Im Osten des Kongo kämpfen Rebellen und Armee seit Jahren um Macht. Die M23-Rebellen behaupten, die im Kongo lebenden Angehörigen der Tutsi-Volksgruppe zu schützen. Bei dem Konflikt geht es auch um die Kontrolle über die reichhaltigen Bodenschätze in der Region, etwa Coltan und Gold. Bereits vor der M23-Offensive auf Goma wurden laut den UN seit Beginn des Jahres 400.000 Menschen durch die Kämpfe vertrieben.