epd: Herr Dr. Dreesman, müssen Pfarrer weiterhin Beamte sein?
Ulrich Dreesman: Nichts ist in Stein gemeißelt. Aber das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis hat sich bewährt. Und man sollte sorgfältig prüfen, bevor man Bewährtes verabschiedet. Es gibt in der württembergischen Landeskirche ohnehin schon privatrechtlich angestellte Pfarrerinnen und Pfarrer, etwa weil sie aus Gesundheits- oder Altersgründen nicht ins Beamtenverhältnis übernommen werden. Unmöglich ist das also nicht, doch die Regel sollte das Beamtenverhältnis bleiben. Das stellt in Württemberg auch niemand infrage.
Wäre die Abschaffung des kirchlichen Beamtentums nicht auch eine Befreiung? Sie hätten als Pfarrer mehr Rechte, dürften streiken und könnten auf die 41-Stunden-Woche pochen...
Dreesman: Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis ist ja gerade ein freies Verhältnis. Die Pfarrerinnen und Pfarrer werden freigestellt zum Dienst in der Landeskirche, an dem Ort, an dem sie eben tätig sind. Ich persönlich möchte übrigens nicht streiken.
Was würde denn fehlen, wenn das Kirchenbeamtentum zu Ende ginge?
Dreesman: Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis bietet die Gewähr, den Pfarrdienst frei und selbstbestimmt zu tun. Das ist das Entscheidende. Es mag aber sein, dass manche jüngere Kollegen eine privatrechtliche Anstellung bevorzugen oder sich lieber gesetzlich versichern lassen, um flexibler zu sein.
Heißt es nicht immer: Wir haben als Kirche schon Nachwuchsprobleme. Wenn wir jetzt noch den Beamtenstatus abschaffen, der für viele attraktiv ist, dann wird ja alles noch schlimmer?
Dreesman: Das ist Typsache. Der Beamtenstatus ist für viele attraktiv, aber für manche ist es auch der Angestelltenstatus. Wenn man jedoch vergleicht, was Studienrätinnen und Studienräte nach ihrer Ausbildung an einer Universität an Anstellungsverhältnissen erwarten können, dann sollte die Kirche Entsprechendes anbieten. Und damit sind wir wieder beim Beamtenstatus und der lebenslangen Besoldung und Versorgung.
Gerade diese lebenslange Versorgung ist aber auch teuer und macht Württemberg derzeit viele Probleme. Könnte ein Abschied von diesem Versorgungssystem der Kirche in ihrer finanziellen Krise helfen?
Dreesman: Im Moment muss die Kirche Geld zurücklegen für Verpflichtungen, die sie ja bereits eingegangen ist. Daran würde ein Systemwechsel nichts ändern. Und der Übergang und vor allem die Parallelität zweier Systeme wäre wahrscheinlich sehr teuer. Die eigentlichen Probleme liegen ohnehin woanders.
Wo?
Dreesman: Die Kirche verändert sich ja auch deswegen so rasant, weil sie ihre Pfarrstellen nicht mehr besetzt bekommt aufgrund des allgemeinen Nachwuchsmangels. Die Badische Landeskirche rechnet damit, dass in den nächsten zehn Jahren über 60 Prozent der Pfarrer nicht mehr im aktiven Dienst sein werden. Wie soll sie diese Lücke füllen?
Es ist auch in Württemberg nicht klar, ob und wie die Kirche die Versorgung der Gemeinden gewährleisten kann. Die Kirchenleitung muss den Pfarrberuf attraktiv halten. Am Ende werden sich nämlich die jungen Kollegen entscheiden, wo sie hingehen - und zwar in eine Landeskirche, die attraktive Bedingungen bietet. Schon jetzt ist zu erkennen, dass manche Kirchen tatsächlich ihre Vikarinnen und Vikare verlieren. Und die kommen unter anderem gerne nach Württemberg.
Inwiefern profitiert die Gesellschaft von beamteten Pfarrerinnen und Pfarrern?
Dreesman: Diese Gesellschaft ist auf profund ausgebildete Experten angewiesen, in diesem Fall auf profund ausgebildete Pfarrerinnen und Pfarrer, die in einer komplexen und widersprüchlichen Gegenwart urteilsfähig sind. Dazu qualifiziert das Hochschulstudium. Und dem entspricht dann eine entsprechende attraktive Anstellung der Landeskirche.
Was mir wirklich Sorgen macht, ist, wie der vorpolitische Raum derzeit erodiert und wie bewährte Parteien, Gewerkschaften, Vereine, aber auch die Kirchen an Zugkraft verlieren und leider die Falschen dann die Räume besetzen. Wir brauchen kluge, gebildete Köpfe, die unsere Gesellschaft gestalten. Wir sollten den Vereinfachern und den Populisten vor allem von rechts, aber auch von links den Raum nicht überlassen.