Es soll der große Wurf werden, doch möglicherweise wird er im Magdeburger Landtag deutlich gestutzt werden: Vor fast zwei Jahren hat Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) einen Gesetzentwurf zum neuen Bestattungsgesetz vorgelegt. Seitdem diskutieren die Koalitionsparteien, was davon umgesetzt wird und was draußen bleibt. Andere wiederum würden gerne noch weitere Neuerungen draufsatteln.
Dabei ist der Entwurf, der im April 2023 vom Landeskabinett gebilligt wurde, bereits ambitioniert: Als eines der letzten Bundesländer will Sachsen-Anhalt die Bestattung im Leichentuch zulassen, wie sie beispielsweise im Islam gängige Praxis ist. "Um der Vielfalt der Religionen gerecht zu werden, streben wir eine interkulturelle Öffnung des Bestattungsrechts an", sagte Grimm-Benne bei der Vorstellung der Gesetzesnovelle.
Geplant ist außerdem, dass sogenannte Sternenkinder, also Kinder, die während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder kurz danach verstorben sind, künftig grundsätzlich bestattet werden müssen. Bisher war dies nicht zwingend vorgeschrieben. Dies gelte auch für Leibesfrüchte aus Schwangerschaftsabbrüchen, teilte das Sozialministerium in Magdeburg mit.
Eine zweite Leichenschau soll durch spezialisierte Ärzte künftig vor jeder Bestattung durchgeführt werden, also auch bei Erdbestattungen. Gesetzlich verankert werden soll zudem ein Verbot der Aufstellung von Grabsteinen aus Natursteinen, an deren Herstellungsprozess möglicherweise Kinder mitgewirkt haben.
Sarglose Bestattung: Ausnahmefall
Seitdem liegt der Entwurf im Landtag. Im September 2023 äußerten die Kirchen bei einer Anhörung Vorbehalte. Angesichts der Kulturtradition müsse eine sarglose Bestattung der Ausnahmefall bleiben, sagte etwa der Leiter des Katholischen Büros in Sachsen-Anhalt, Stephan Rether.
Und dann ist da noch die Diskussion über die "Reerdigung", eine neuartige Bestattungsform, bei der ein Leichnam in einem Kokon bestattet wird und sich innerhalb von etwa 40 Tagen auf natürliche Weise zu Erde zersetzen soll. Sie steht nicht im Gesetzentwurf drin, wird aber breit diskutiert. CDU und SPD lehnen sie ab, die FDP kann sie sich vorstellen. Auch die Kirchen sind sich uneins.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland sieht nach eigenen Angaben keine grundsätzlichen theologischen Bedenken. Das Katholische Büro argumentiert hingegen, die Ruhe des verstorbenen Menschen auf dem Friedhof sei getragen von der Hoffnung der Auferstehung - und nicht von einem Naturkreislauf.
Uneinigkeit in der schwarz-rot-gelben Koalition gibt es auch über die Idee, aus Totenasche einen Diamanten herzustellen. CDU und FDP sind dafür, die SPD sieht darin einen Verstoß gegen das Grundgesetz, da die Totenruhe gestört werde, wie die sozialpolitische Sprecherin Katrin Gensecke dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte.
Auch die Tuchbestattung ist noch keine beschlossene Sache. Die CDU-Fraktion erklärte vor wenigen Tagen, sie lehne eine Aufhebung der Sargpflicht ab. Gensecke findet das nicht akzeptabel. An der "interkulturellen Öffnung" des Bestattungsrechts werde die SPD festhalten, machte sie deutlich. Man werde kein neues Gesetz ohne die Erlaubnis zur Tuchbestattung beschließen. "Das ist für uns der zentrale Punkt des Gesetzes", betont Gensecke. Die FDP ist ohnehin für eine weitreichende Liberalisierung.
Manche Beobachter vermuten bereits, das Thema könnte bis zu den Landtagswahlen im kommenden Jahr aufgeschoben werden - dann ist die Wahlperiode beendet, der Gesetzentwurf wäre erledigt. Oberkirchenrat Albrecht Steinhäuser, Beauftragter der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung, mahnt hingegen die Fraktionen zu einer baldigen Einigung. Er vermutet, dass die konsensfähigen Punkte beschlossen werden - inklusive der Tuchbestattung: "Es wäre schade, wenn das, was gesellschaftlich als Erfordernis bleibt, unerledigt bleiben würde."