Wählen darf jeder, aber kann er das?

Schlange im Wahlbüro mit Mann im Rollstuhl und helfer
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Noch immer gibt es Wahllokale, die nicht barrierefrei sind.
5 Tipps zur Bundestagswahl
Wählen darf jeder, aber kann er das?
Ab 18 Jahren darf man mit deutschem Pass auch seine Stimme bei der Wahl abgeben. Ganz gleich ob per Brief vorab oder am 23. Februar mit Wahlzettel in der Kabine. So leicht das klingt, so schwierig ist es dennoch für Menschen mit Behinderung, Sprachproblemen oder Krankheit . Auch Obdachlosigkeit erschwert den Gang zur Urne. evangelisch.de Redakteurin Katja Eifler mit Tipps, wie auch diesen Menschen ihr Kreuz setzen können.

1. Wie wählt man als Obdachloser?

Obdachlose Menschen in Deutschland haben grundsätzlich das Recht zu wählen, müssen aber einige Hürden überwinden, um dieses Recht auch nutzen zu können. Der wichtigste Schritt ist die frühzeitige Eintragung in das Wählerverzeichnis: Dazu müssen Menschen, die keinen Wohnsitz haben einen speziellen Antrag stellen, da sie nicht automatisch registriert sind. Hinzundkunst.de, eine Initiative, die sich um obdachlose Menschen in Hamburg kümmert hat dafür zuletzt eine Vorlage erarbeitet, die sich auch auf andere Städte leicht umformulieren lässt. Auch die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. bietet eine Mustervorlage zum Download an. Auch hier gilt: Eigene Stadt eintragen nicht vergessen! Anstelle einer festen Meldeadresse kann die Adresse einer sozialen Einrichtung, eines Wohnheims oder der Gemeindeverwaltung als Erreichbarkeitsadresse angegeben werden.

Der Antrag auf Eintragung muss spätestens bis zum 21. Tag vor der Wahl bei der zuständigen Gemeinde gestellt werden. Im Antrag muss  "an Eides statt" versichert werden, dass die deutsche Staatsbürgerschaft vorliegt und sie in den letzten drei Monaten überwiegend in der betreffenden Gemeinde übernachtet haben.

Obdachlose, die das Vorgehen aber sehr schwierig finden, können sich an örtliche ihnen bekannte Hilfsangebote wenden oder direkt bei ihrer Stadt oder Kommune anrufen oder vorbeigehen und nach einer Unterstützung fragen.

2. Wie können Menschen mit Demenz wählen?

Menschen mit Demenz haben ebenso ein grundsätzliches Wahlrecht, solange ihnen dieses nicht ausdrücklich entzogen wurde und sie es sich selbst noch zutrauen. Eine Demenzerkrankung allein ist kein Grund für einen Wahlrechtsausschluss. Seit 2019 dürfen in Deutschland auch Menschen mit einer rechtlichen Betreuung in allen Angelegenheiten wählen.

Wenn es nicht mehr ganz alleine geht, dann dürfen betroffene Menschen eine Hilfsperson, beispielsweise eine Angehörige oder ihre Pflegekräfte, mit in die Wahlkabine nehmen. Diese Person darf nur technische Unterstützung leisten, das heißt beim Ausfüllen oder Einwerfen des Stimmzettels helfen. Die Entscheidung, welche Partei gewählt wird, trifft der Demenzkranke, entweder durch mündliche Äußerung oder Zeigen auf dem Wahlzettel. Jede Form der Beeinflussung oder Manipulation durch die Begleitung oder Hilfe ist verboten und strafbar. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Bei fortgeschrittener Demenz kann es vorkommen, dass Betroffene ihren Willen nicht mehr selbstständig bilden oder artikulieren können. Trifft das zu, können sie nicht mehr an der Wahl teilnehmen.

3. Wie wählen für Menschen mit Behinderung?

Für Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen gibt es verschiedene Möglichkeiten und Hilfsangebote, um die Stimmabgabe zu erleichtern. Alle Wahllokale aber sollten barrierefrei sein, sodass Rollstühle oder Rollatoren leicht hineingelangen. Leider gibt es in einzelnen Städten immer noch Wahllokale, die nicht barrierefrei sind. Doch wie weiß man das vorher?

Ob das Wahllokal barrierefrei ist, steht auf der persönlichen Wahlbenachrichtigungskarte. Ist es das nicht, können Sie einen Wahlschein beantragen und damit entweder per Briefwahl Ihre Stimme abgeben oder ein anderes, barrierefreies Wahllokal in Ihrem Kommunalwahlbezirk aufsuchen. Aber es wird besser. Viele Wahllokale sind mittlerweile barrierefrei gestaltet, mit Rampen für Rollstuhlfahrer:innen und ausreichend Sitzgelegenheiten. Wer selbst für die Gestaltung eines Wahllokals zuständig ist, kann sich die Handreichung der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit herunterladen und schnell schauen, ob alles passt.

Auch für Menschen mit Behinderungen ist es erlaubt, eine Assistenz, eine Person ihrer Wahl, mit in die Wahlkabine zu nehmen. Diese Person darf beim Ausfüllen des Stimmzettels helfen. Wenn der Gang zum Wahllokal zu schwierig ist, können Menschen mit Behinderung auch per Briefwahl von zu Hause aus wählen.

Für blinde und sehbehinderte Menschen stellen die Blindenverbände kostenlose Wahlschablonen zur Verfügung, die eine selbstständige und geheime Wahl ermöglichen. Hier finden sich nähere Informationen dazu. Die sogenannte Wahlschablone ist aus Pappe und wird für jede Wahl neu gemacht. Dort, wo die Felder zum Ankreuzen der Parteien sind, befinden sich kreisrunde Löcher. Diese ausgestanzten Löcher sind gut fühlbar und zusätzlich schwarz umrandet, damit sie von sehbehinderten Menschen gut erkannt werden können. Daneben befinden sich aufsteigende Nummern in Braille und tastbarer Schrift.

Der Stimmzettel wird in die aktuelle Schablone eingelegt. Jeder Stimmzettel ist entweder in der rechten oberen Ecke gelocht oder schräg abgeschnitten. Selbes gilt für die Wahlschablone. Schnell ist klar, wie der Stimmzettel richtig eingelegt werden muss. Zusätzlich zur Schablone gibt es Begleitmaterial in Form einer Audio-CD, in Brailleschrift oder in Großdruck. Dort werden der Aufbau und die Handhabung der Schablone sowie der Aufbau des Stimmzettels erklärt.

Die Bestellung der Wahlschablone muss unbedingt beim jeweiligen DBSV-Landesverein erfolgen, da es für jeden Wahlkreis eine unterschiedlich aufgebaute Wahlschablone gibt. Auch die Informationen auf den Audio-CDs unterscheiden sich, da es für jedes Bundesland eine eigene Landesliste und für jeden Wahlkreis unterschiedliche Direktkandidatinnen und -kandidaten gibt.

4. Wie wähle ich mit Problemen mit der deutschen Amtssprache?

Wie funktioniert das eigentlich mit den Wahlen und was muss man beim Ausfüllen des Stimmzettels beachten. Dafür gibt es Informationen, die in leichter Sprache helfen können, alles gut zu verstehen. Beispielsweise hat die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg bereits eine erklärende Broschüre veröffentlicht, die kostenfrei unter diesem Link heruntergeladen oder bestellt werden kann. Sie kann weitergereicht werden an Personen, die keinen Zugang zum Internet haben. Online gibt es auch auf der Seite der Bundeswahlleiterin eine Info in leichter Sprache.

Wer zwar die deutsche Sprache spricht, aber viele Begriffe in den Parteiprogrammen trotzdem nicht auf Deutsch versteht, kann sich die Programme oder einzelne Sätze daraus, mit Hilfe eines Übersetzungstools wie Deepl in seine Heimatsprache übersetzen lassen. 

5. Wählen mit Entscheidungsschwierigkeiten

Wer nicht weiß, was und wenn er überhaupt wählen soll, der kann sich zunächst die einzelnen Parteiprogramme ansehen. Noch sind nicht alle online, aber die Tagesschau bietet eine Seite an, auf der man Informationen und die Links findet.

Wem Gespräche mit Freunde:innen oder Familienangehörigen nicht reichen, der kann sich selbst testen. Denn natürlich wird es auch in diesem Jahr wieder den Wahl-O-Maten geben. Er ist ein Frage-und-Antwort-Tool, das zeigt, welche zu einer Wahl zugelassene Partei der eigenen politischen Position am nächsten stehen könnte. 38 Thesen können mit "stimme zu", "stimme nicht zu", "neutral" oder "These überspringen" beantwortet werden - alle zur Wahl zugelassenen Parteien können sich am Wahl-O-Mat beteiligen. Auf diese Weise können die Nutzer:innen die eigenen Antworten mit denen der Parteien abgleichen.