Das "Unwort des Jahres 2024" lautet "biodeutsch". Mit diesem Wort werde eine "rassistische, biologistische Form von Nationalität konstruiert", sagte die Jurysprecherin der sprachkritischen Aktion, Constanze Spieß, am Montag in Marburg. Das Wort diene im Zusammenhang mit Substantiven wie "Biodeutsche" dazu, "Menschengruppen, die vor dem Gesetz gleich sind, ungleiche Eigenschaften zuzuschreiben und sie somit hierarchisch zu klassifizieren". Diese Unterteilung in angeblich "echte" Deutsche und in Deutsche zweiter Klasse sei eine Form von Alltagsrassismus.
Der Begriff "biodeutsch" sei ursprünglich ironisch als satirischer Ausdruck verwendet worden, erklärte Spieß, Professorin für Pragmalinguistik an der Universität Marburg. Die Jury kritisiere nicht den ironisch-satirischen, sondern den diskriminierenden Sprachgebrauch: "Dabei wird 'Deutschsein' naturbezogen begründet, um eine Abgrenzung und Abwertung von Deutschen mit Migrationsbiografie vorzunehmen." Durch die nicht-ironische Verwendung des Wortes werde ein biologischer Zusammenhang von Nationalität und "Deutschsein" hergestellt, den es nicht gebe,
Auf Platz zwei bei der Unwort-Wahl landete der Begriff "Heizungsverbot". Dieser Begriff stelle eine irreführende Bezeichnung dar, kritisierte die Jury. Im Zusammenhang mit dem zu Beginn des vergangenen Jahres reformierten Gebäudeenergiegesetz diskreditiere er klimaschützende Maßnahmen. Das Gesetz verbiete weder das Heizen noch Heizungen, sondern schreibe beim Neueinbau von Heizungen einen Anteil erneuerbarer Energien vor.
Das persönliche Unwort der diesjährigen Jury-Gäste Saba-Nur Cheema und Meron Mendel lautet "importierter Antisemitismus". Dieser Ausdruck suggeriere, dass Judenhass vor allem mit dem Zuzug von Migranten aus arabischen Ländern zu einem Problem geworden sei. In rechten Kreisen werde der Begriff verwendet, um Muslime und Migranten auszugrenzen und vom eigenen Antisemitismus abzulenken.
Insgesamt waren 3.172 Einsendungen mit 655 verschiedenen Ausdrücken eingegangen. Rund 80 von ihnen entsprachen den Unwort-Kriterien. "Biodeutsch" gehörte mit zehn Einsendungen zu den häufig vorgeschlagenen Begriffen. Das am häufigsten eingesendete Wort war "Nutztier" (1.227 Mal), danach folgte "kriegstüchtig" (58 Mal).
Zur Jury gehören neben der Vorsitzenden Spieß die drei Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler Kristin Kuck (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), Martin Reisigl (Universität Wien) und David Römer (Universität Kassel) sowie die Journalistin Katharina Kütemeyer. Als jährlich wechselnde Mitglieder waren in diesem Jahr die Publizisten Saba-Nur Cheema und Meron Mendel beteiligt.
Im vergangenen Jahr hatte die Jury "Remigration" zum Unwort gewählt, mit dem rechte Parteien und rechtsextreme Gruppierungen die Forderung nach einer Zwangsausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte beschönigend tarnten. 2022 lautete das Unwort "Klimaterroristen", mit dem Aktivisten gegen die Klimaerhitzung diffamiert und kriminalisiert würden. 2021 spießte das Unwort "Pushback" die verharmlosende Bezeichnung für die menschenfeindliche Zurückweisung von Flüchtlingen an der EU-Grenze auf.