Eine mysteriöse Gestalt, die plötzlich durchs Bild huscht, sorgt schließlich für einen veritablen Gänsehautmoment, zumal Musik- und Soundeffekte die passenden akustischen Ausrufezeichen setzen. Der Schrecken bewegt sich allerdings in einem moderaten Rahmen: "Das Nolden-Haus" bietet genau die richtige Mischung für Menschen, die einem wohligen Gruseln nicht abgeneigt sind, Horrorfilme jedoch zu spannend finden. Ein Krimi ist diese 27. Episode der von Holger Karsten Schmidt geschaffenen Reihe trotzdem, aber es dauert eine Weile, bis das Schwanitzer Polizeiduo Hauke Jacobs und Hannah Wagner (Hinnerk Schönemann, Jana Klinge) erkennt, dass sich hinter dem vermeintlichen Hokuspokus im Haus der Familie Nolden gleich mehrere Verbrechen verbergen.
Niels Holle, der mittlerweile bereits elf Drehbücher für die Reihe verfasst hat, beginnt seine Geschichte mit einer Séance: Tatjana Rosinki (Sabine Vitua) stellt eine Verbindung zum Jenseits her und empfängt tatsächlich eine Botschaft, die nichts Gutes verheißt. Für die Musik gilt das nicht minder: Komponist Stefan Hansen lässt von Beginn an keinen Zweifel daran, dass man besser einen großen Bogen um die seit dreißig Jahren leerstehende Villa macht.
Erst nach und nach verrät der Film, welche Tragödie sich einst in dem Haus zugetragen hat: Die letzte Besitzerin, Inge Nolden, hat sich angeblich aus Gram auf dem Dachboden erhängt, als ihr Mann, ohnehin ein Hallodri, sie von einem Tag auf den anderen verlassen hat; das gegenseitige Eheversprechen "Für immer und ewig" hat nicht lange gehalten. In der spiritistischen Sitzung lässt Inge über Tatjana mitteilen, dass die neue Bewohnerin gleichfalls am Strick enden werde, wenn sie es wagen sollte, auch nur eine Nacht in der Villa zu verbringen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das kann Lena Helbing (Joanna Kitzl) natürlich nicht ahnen, als sie frohgemut ihr neues Heim bezieht. Es geschehen zwar allerlei Merkwürdigkeiten, aber dadurch lässt sie sich nicht beirren, und dass die Tür zum Speicher verschlossen ist, weckt vor allem ihre Neugier. Die erste Schwanitzerin, die sie kennen gelernt hat, ist Jule Christiansen (Marleen Lohse), Jacobs’ Partnerin in der gemeinsamen Tierzartpraxis, und weil sich die beiden Frauen auf Anhieb verstanden haben, wollen sie sich tags drauf zum Frühstück treffen. Daraus wird jedoch nichts: Die düstere Prophezeiung ist wahr geworden. Jule ist gleich doppelt in die Geschichte involviert: Inge war nach der Trennung ihrer Eltern eine Art Ersatzmutter für sie.
Regie führte wie schon zuletzt bei "Haare? Hartmann" Felix Herzogenrath, "Das Nolden-Haus" ist sein sechster "Nord bei Nordwest"-Beitrag, und es hat ihm sichtlich Spaß gemacht, Holles Gruselvorlagen umzusetzen. Abgesehen von der romantischen Ebene – Jacobs fühlt sich sowohl zu Jule wie auch zu Hannah hingezogen – machen gerade die vielfältigen Genre-Möglichkeiten den besonderen Reiz der Reihe aus. Das Spektrum reicht vom Provinzkrimi bis zum Thriller, und nun kommen erstmals auch Mystery-Elemente hinzu.
Für einige Ereignisse liefert das Drehbuch eine schlüssige Erklärung, aber Manches bleibt auch offen; gut möglich, dass es tatsächlich spukt im Nolden-Haus. Wie Holle die Gegenwart mit der Vergangenheit verknüpft, ist allerdings ziemlich clever: Die Untersuchung von Lenas Leiche lässt keinen Zweifel daran, dass sie mit einem Kabel erdrosselt und post mortem aufgehängt worden ist. Ein Foto der toten Inge zeigt ganz ähnliche Spuren; und Lena wird nicht das letzte Opfer bleiben. Neben der Musik hat gerade die Bildgestaltung (Lars R. Liebold) großen Anteil daran, dass das Nolden-Haus eine derart schaurige Atmosphäre verbreitet.
Gleich zu Beginn zieht sich die Kamera im Zeitraffer von der Haustür ins obere Stockwerk zurück, als wolle sich Inges Geist in Sicherheit bringen. Und während im handelsüblichen Krimi jeder Gedanke laut ausgesprochen wird, damit alle im Publikum mitbekommen, worum’s geht, genügt hier ein kleiner Schwenk zur rechten Zeit, um zu zeigen, wer nach Ansicht von Jacobs für den ganzen Schlamassel verantwortlich ist. Das Drehbuch wiederum erfreut durch teilweise makabre Dialoge und andere Details, die nicht weiter wichtig sind, aber Spaß machen. Sehenswert sind wie stets auch die darstellerischen Leistungen. Sabine Vitua umgibt sich als Medium mit der passenden düsteren Aura, und das Trio Schönemann/Lohse/Klinge ist ohnehin jedes Mal ein Vergnügen.