TV-Tipp: "Levi Strauss und der Stoff der Träume"

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3. Januar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Levi Strauss und der Stoff der Träume"
Schon der doppeldeutige Titelzusatz ist ziemlich clever, denn die sehenswerte vierteilige ARD-Serie "Levi Strauss und der Stoff der Träume" über die Lebensgeschichte eines Franken in Amerika behandelt einen in jeder Hinsicht historischen Stoff.

Der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgewanderte deutsche Jude hat gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Jacob Davis in San Francisco die "Blue Jeans" erfunden. Die "501" von Levi’s dürfte die einzige Hose der Welt sein, die tatsächlich Kultstatus genießt. Die beiden Männer haben seinerzeit auf fast schon prototypische Weise den amerikanischen Traum verkörpert.

Allerdings hatte Levi dank seiner Halbbrüder, die es in New York als Stoff- und Kurzwarenhändler bereits zu einem gewissen Vermögen gebracht hatten, ungleich bessere Startbedingungen als die meisten anderen Auswanderer. 
Selbst wenn die Redewendung "Vom Tellerwäscher zum Millionär" auf Levi Strauss also nur bedingt zutrifft: Filmreif ist die Biografie allemal. Die erste Episode beginnt in Bayern, Levi (Vincent Redetzki) geht gemeinsam mit Schwester Fanny (Amy Benkenstein) als Hausierer von Tür zu Tür. Misserfolg und Antisemitismus lassen ihn schließlich die Flucht ins gelobte Land Amerika antreten. Schon auf dem Schiff begegnet er jenem Mann, der ihm viele Jahre später zu Ruhm und Reichtum verhelfen wird. Jacob (Anton von Lucke) aus Riga, ebenfalls Jude, ist Schneider, Levi Stoffhändler: ein "Perfect Match", würde man heute sagen. Zunächst gehen die beiden jedoch noch getrennte Wege: Levi arbeitet er im Unternehmen seiner Brüder, dann überredet er den älteren Louis (Hannes Wegener), ihn an der Westküste eine Filiale aufbauen zu lassen; Jacob zieht zu Pferde in Richtung Westen.

Die Geschichte des späteren Geschäftspartners ist fast die interessantere: Jacob ist ein Glücksritter, der ständig vielversprechende neue Ideen hat; unter anderem erfindet er ein zusammenklappbares Bügelbrett. Vorher wird er jedoch fast erwürgt, als er sich in einer Goldgräbersiedlung in die Gefährtin des eifersüchtigen Anführers verliebt. Gemeinsam mit Annie (Lea van Acken) lässt er sich in Reno (Nevada) nieder. Dort kommt ihm auch jener Einfall, der zum Markenzeichen der Jeans von Levi’s wird: Weil bei den Beinkleidern der Bergarbeiter dauernd die Nähte reißen, verstärkt er sie mit Nieten. So kamen die Jeans zumindest hierzulande zu ihrem Namen, der mittlerweile allerdings so gut wie in Vergessenheit geraten ist: Nietenhosen.

Derweil bringt es Levi in San Francisco dank seiner Geschäftstüchtigkeit zu Wohlstand und Ansehen. Als er sich von den Brüdern freikaufen will, das Schiff mit dem Gold jedoch sinkt, muss er wieder von vorn anfangen. Seine Geschichte ist die eines sogenannten Selfmademan, der sich auch durch Rückschläge nicht beirren lässt und es schließlich sogar wagt, dem heimlichen Herrscher der Stadt, der von allen Unternehmen Schutzgeld erpresst, die Stirn zu bieten; wenn auch erst, nachdem dieser von Roland Koch als typischer Halsabschneider verkörperte Schurke einen aufmüpfigen Journalisten (Golo Euler) ermorden lässt. Der wahrheitsliebende Freund, leider auch ein Trinker, hat Levi zwei Weisheiten mit auf den weiteren Lebensweg gegeben: "Angst ist die Tochter des Todes" und "Mut ist der Weg zur Freiheit".

Die Drehbücher zu diesen zwar nicht prominent, aber sehr treffend besetzten, ausnahmslos ausgezeichnet gespielten und mit sehr sympathischer Musik (Bjorn Eriksson) untermalten Serie stammen von Robert Krause und Neele Leana Vollmar, sie hat auch Regie geführt. Der Aufwand ist in erster Linie personeller Natur, Kostüm- und Szenenbild wirken sehr stimmig; gedreht wurde in Norditalien. Mit knapp 180 Minuten ist "Levi Strauss" keine Sekunde zu lang, zumal die vier Folgen recht handlungsreich sind. Mitunter hat sich das Drehbuchduo mutmaßlich einige künstlerische Freiheiten gegönnt, zumal gerade gegen Ende einige Ereignisse fast zu schön sind, um wahr zu sein. Die sehr europäische Western-Variante, die aller Dramatik zum Trotz auch ihre komischen Momente hat, lebt aber ohnehin vor allem von der Vielschichtigkeit. Das betrifft auch die Figuren; selbst der Halunke hat eine weiche Seite. 

Leider hatten die Verantwortlichen bei allem Bekenntnis zur Authentizität nicht den Mut, auch der damaligen Vielsprachigkeit gerecht zu werden. San Francisco war zu jener Zeit dank des Goldrauschs das Ziel von Glücksrittern aus aller Herren Länder, doch in der Serie sprechen alle das gleiche makellose Hochdeutsch; auch der Oberfranke Levi und der Lette Jacob. Das "Erste" zeigt alle Folgen am Stück, die Serie steht außerdem in der ARD-Mediathek.