epd: Herr Pfarrer Baral, was genau kann man unter "Jahreslosung" verstehen und wie wurde sie ausgewählt?
Matthias Baral: Die Jahreslosung ist ein Bibelwort. Man kann sie als "Motto", "Parole" oder "Wahlspruch" verstehen, die für ein Jahr eine herausgehobene Stellung einnimmt. Sie wird von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft Bibellesen (ÖAB) festgelegt.
Die ÖAB setzt sich aus rund 30 verschiedenen Mitgliederorganisationen zusammen. Jede dieser Organisationen schickt drei Jahre im Vorfeld zwei Bibelstellen aus dem Bibelleseplan von 2025 ins Rennen um die Jahreslosung. Es stehen also etwa 60 Bibelverse zur Auswahl. In einem festgelegten Verfahren verständigt man sich per Mehrheitsentscheid auf eine Bibelstelle, die dann die Jahreslosung ist.
Dabei wird immer mitbedacht, ob die Übersetzung der katholischen Christen, die Einheitsübersetzung, oder die Übersetzung der evangelischen Christen, die Luther-Übersetzung, geeigneter ist. Die Jahreslosung stärkt darum auch die Ökumene. Da die Jahreslosung ihre Wurzeln in der kirchlichen Jugendarbeit hat, werden außerdem immer Jugenddelegierte, die zur Jahrestagung eingeladen werden, aufgefordert, ihre Meinung einzubringen. Ihre Stimme ist für die Auswahl mit ausschlaggebend.
Wie lautet die Jahreslosung für dieses Jahr, und wie ist sie zu verstehen?
Baral: Sie lautet: "Prüft alles und behaltet das Gute" (1. Thessalonicher 5,21). Der Vers steht im ersten Brief des Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki. Am Ende seines Briefes ermutigt Paulus die stark unter Druck stehende Gemeinde und fordert sie auf, sich zu jeder Zeit zu freuen, zu beten, dankbar zu sein, das Böse zu meiden und eben alles zu prüfen und das Gute zu behalten.
Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der Jahreslosung ist, dass sie für sich spricht und ohne Kontextwissen verständlich ist. Es ist immer wieder erfreulich, ihre Aktualität zu sehen - auch wenn wir sie bereits vor drei Jahren ausgewählt haben. Das lässt erkennen, dass Gottes Geist am Wirken ist.
Was hat sie Menschen im Jahr 2025 denn zu sagen?
Baral: Sie ermutigt, sich auf das Gute zu fokussieren. Es gibt vieles, was in unserem Land zu kritisieren wäre. Aber daneben gibt es sehr viel Gutes - immer noch. Das Negative nicht so sehr dominant werden zu lassen, es nicht übermächtig werden zu lassen und es eben nicht zu behalten, sondern vielmehr das Gute, ist eine sehr aktuelle Losung.
Und mal ehrlich, wir prüfen doch ständig: Wem gehört meine Zeit? Stimmt das, was ich höre? Wie finde ich das oder jenes? Daumen hoch oder runter in den sozialen Medien ... Die Jahreslosung lädt ein, Gewohntes zu hinterfragen und dem Guten Raum zu geben. Das ist nach eingängiger Prüfung doch ein gutes Motto für das Jahr 2025, oder?