Der Platz auf der Bank neben dem Eingang ist in jedem Gottesdienst besetzt: "Reserviert Mesnerin" steht auf dem Schild. "Direkt darüber ist der Kasten für die manuelle Glockensteuerung", erklärt Edith Hammer. Wenn vorn am Altar die Pfarrerin zum Vaterunser ansetzt, drückt die 56-Jährige hinten im Kirchenschiff auf den Knopf, damit die Glocke läutet - so wie es in der evangelischen Liturgie vorgesehen ist.
Seit eineinhalb Jahren versieht Edith Hammer ihren Dienst mit 20 Wochenstunden in der Erlöserkirche Rosenheim. Ob Gottesdienst oder Konzert, Taufe oder Beerdigung, Ostermorgen oder Heiligabend: Die Mesnerin ist immer da. Sie sorgt dafür, dass die Liednummern angeschlagen sind, Mikros und Beleuchtung funktionieren, das Taufkränzlein geflochten am Beckenrand liegt, das Vortragekreuz den Trauernden voranzieht, das Osterfeuer im Wind nicht erlischt und in der Christmette alle Lichter am fünf Meter hohen Baum funkeln - und dass nach jeder Veranstaltung alles wie von Zauberhand wieder in den Schränken verschwindet. Das "unsichtbare Vorfeld" nennt Edith Hammer ihren Arbeitsbereich mit einem Lachen.
Rund 2200 Kirchnerinnen und Kirchner, wie die Berufsbezeichnung in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) offiziell lautet, gibt es in den 1525 protestantischen Gemeinden des Freistaats. Davon sind nur knapp 150 - wie Edith Hammer - hauptamtlich angestellt, sagt Ursula Leitz-Zeilinger, die beim Gottesdienst-Institut der Landeskirche für die Mesner-Fortbildung zuständig ist: "Dazu kommen etwa 570 geringfügig Beschäftigte und über 1500 Ehrenamtliche."
Damit mehr von ihnen die Möglichkeit haben, sich fortzubilden, wurde der viertägige Mesner-Grundkurs in vier Einzelmodule aufgeteilt - am 21. März startet im Kirchenkreis Oberbayern die nächste Runde, die mit 25 Teilnehmenden ausgebucht ist. Wer alle Tage absolviert, weiß über Gottesdienst- und Läuteordnung Bescheid, über das Kirchenjahr mit seinen liturgischen Farben, über die Pflege von Kerzen und Kunstwerken, über rechtliche und technische Fragen rund ums - meist offene - Gotteshaus. "Wir hoffen, dass durch das neue Konzept auch mehr Ehrenamtliche am Kurs teilnehmen können", so die Pfarrerin.
Man darf in der Kirche auch fröhlich sein
Edith Hammer jedenfalls hat sich für alle vier Module angemeldet. "Ich habe jetzt ein Kirchenjahr durchlaufen, aber ganz viel weiß ich noch nicht", sagt die gebürtige Heidelbergerin, die in der reformierten Landeskirche von Baden großgeworden ist. Dafür hat sie als Mesnerin für "ihre" Kirche einen ganz neuen Blick gewonnen: "Obwohl ich in der Erlöserkirche schon acht Jahre ein- und ausgegangen bin, habe ich die markante Schönheit unseres Altarkreuzes nie richtig wahrgenommen", sagt sie kopfschüttelnd. Zugleich fördere der "intensivere Blick" natürlich auch bröckelnden Putz, vom Wind hereingewehtes Laub und Spinnweben zutage.
Besonders liebt Hammer die Samstage, wenn sie den Blumenschmuck erneuert: "Wenn jemand an der Orgel übt, während ich hier arbeite, das finde ich total schön." Auch die Zufallsbegegnungen mit Menschen, die tagsüber in die Kirche kommen, mag die Frau mit dem ansteckenden Lachen: "Ich möchte, dass Menschen sich hier willkommen und wohl fühlen und zugleich merken, dass man in der Kirche auch fröhlich sein darf."
Im Hintergrund zu arbeiten macht Edith Hammer nichts aus. In ihrer badischen Heimat seien Mesner "Kirchdiener" genannt worden. "So sehe ich mich auch, für mich hat das keinen negativen Touch", sagt die Wahl-Rosenheimerin. Die Arbeit rund ums Gotteshaus spreche gerade handwerklich veranlagte Menschen an. Hammer ist selbst über verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten in der Erlöserkirche in ihren Job gerutscht. Sie freut sich, dass ihr mittlerweile ein kleiner Kreis von Helfern zur Seite steht, die in den Hochphasen von Weihnachten und Ostern mit anpacken.
Für sie selbst bedeuten die hohen Kirchenfeste oft Einsatz von früh bis spät. "Am Heiligabend sperr ich um 9 Uhr die Kirche auf und um kurz vor Mitternacht wieder zu", sagt sie und lacht. Weihnachten wird bei Edith Hammer dann "ganz entspannt" gefeiert, wenn alles vorbei ist: am 28. Dezember.