App will Umgang mit Behörden erleichtern

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Die deutsche Bürokratie stellt für viele Geflüchtete ein Hindernis dar. Eine neue App in Baden-Württemberg verspricht Hilfe.
Amal on Tour
App will Umgang mit Behörden erleichtern
Es ist der Traum vieler Geflüchteter: Eine App, die ermöglicht, die vielen Formulare und Dokumente schnell und bequem in der Muttersprache des Nutzers zu bearbeiten. Wie einfach wäre es dann zu verstehen, welche Schritte sie zur Lösung ihrer Probleme unternehmen müssen. In einigen kleinen Städten in Baden-Württemberg wird eine neue App für Geflüchtete derzeit getestet. Amal hat sich mit den Machern unterhalten.

Was ist die größte Herausforderung bei der Integration in Deutschland? Zweifelsohne die Bürokratie. Egal aus welchem Land man kommt und welchen Status man anstrebt – ob man arbeiten, studieren oder ein eigenes Unternehmen gründen möchte – in Deutschland muss man sich mit komplexen bürokratischen Prozessen auseinandersetzen. Selbst viele Deutsche sind damit überfordert, umso mehr gilt das für die Neuankömmlinge. Die Sozialämter beklagen seit Jahren eine extreme Überlastung. Es ist höchste Zeit, auf Technologie zu setzen.

In einigen Kirchengemeinden in Baden-Württemberg wird derzeit eine neue App für Geflüchtete getestet, die dazu dient, bürokratische Dokumente in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Diese Lösung könnte ein wichtiger Schritt zur Integration sein, die Verwaltung entlasten und die Lebensqualität von Geflüchteten in Deutschland verbessern.

Die Idee für eine solche App entstand auf Initiative von Sozialarbeitern der örtlichen Diakonie, die bereits seit langem Geflüchteten bei der Anpassung an das Leben in einem neuen Land helfen. Die Konzeption stammt von Marisa Kratzer und Christina Reinhold. Nazario Melchionda ist Leiter des Bereichs Asyl und Integration im Ökumenischen Zentrum Ludwigsburg und begleitet das Projekt. "Ich habe sofort an diese Idee geglaubt", sagt er. "Wir werden von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Bildung angesprochen, und leider können wir nicht jedem und nicht immer helfen. Die einfachen automatischen Übersetzungen, die man auf dem Handy findet, reichen nicht. Es braucht einen richtigen Mix aus Technologie und menschlicher Erfahrung", erklärt Melchionda.

Arbeit und Leben erleichtern

Mit dem Zustrom von Geflüchteten, insbesondere aus der Ukraine, spürten die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter einen erheblichen Druck und begannen darüber nachzudenken, wie sie die Arbeit und das Leben der Menschen erleichtern könnten. "Den Antrag auf Entwicklung der App haben wir beim 'Futurum', dem Innovationszentrum des Diakonischen Werks Württemberg, eingereicht", erzählt Marisa Kratzer, Fachkraft im Diakonischen Werk und eine der Initiatorinnen. "Anschließend haben sich die Experten des Start-ups Readyplace der Sache angenommen. So konnten wir im November 2023 starten."

In den folgenden Monaten haben sie die Idee weiterentwickelt, seit Januar füllen sie die App. Die App hat noch keinen Namen, aber ihre Idee lässt sich mit dem Slogan zusammenfassen: "Menschen befähigen statt verwalten." Die Herausforderungen der Übersetzung Die bürokratische Sprache ist komplex, und nicht immer gibt es genaue Entsprechungen in anderen Sprachen. Die automatisierten Übersetzungen aus dem Handy helfen auch nur begrenzt weiter.

Ein Beispiel: Eine Amal-Journalistin schrieb einen Brief an eine Schule, um dort einen Platz für ihren Sohn zu bekommen. Sie nutzte dafür eine automatische Übersetzung ins Deutsche. Das Ergebnis war ein völlig falscher Brief, da die künstliche Intelligenz einige Ausdrücke eigenmächtig korrigiert hatte. Statt "Wir benötigen Hilfe, da wir nicht freiwillig hergekommen sind" stand im Brief: "Wir müssen gerettet werden, da wir als Geiseln gehalten werden". Die Schule reagierte humorvoll auf die Formulierung, aber die Journalistin erkannte, dass man Übersetzungen kontrollieren, mehrfach überprüfen und am besten von einem muttersprachlichen Bekannten Korrektur lesen lassen sollte.

KI unter Aufsicht von Fachleuten nutzen

Es ist also schwierig, Prozesse vollständig zu automatisieren. Künstliche Intelligenz ist ein gutes Werkzeug, das jedoch unter der Aufsicht von Fachleuten funktionieren muss. Aus diesem Grund arbeiten die Entwickler der App so sorgfältig daran. Sie überprüfen die Übersetzungen mehrfach, erledigen einen Teil der Arbeit manuell, überprüfen sie dann erneut mit Hilfe künstlicher Intelligenz und schließlich übernehmen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter die erklärende Arbeit. Ihre Aufgabe besteht nicht nur darin, bei der Bearbeitung von Dokumenten zu helfen, sondern auch darin, die Menschen auf die Lösung ihrer Probleme zu konzentrieren. Ziel ist, dass die Geflüchtete nicht nur einem System vertrauen, sondern die notwendigen Prozesse selbst verstehen und genau wissen, wohin, was und warum sie etwas senden.

Die App ersetzt zwar nicht die Beratung durch Fachleute, ermöglicht jedoch eine deutliche Zeitersparnis für die Mitarbeiter von Sozialdiensten und gemeinnützigen Organisationen. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist die Zusammenarbeit mit den "Erklärcafes". Dort treffen sich Geflüchtete einmal pro Woche und arbeiten gemeinsam mit einem Sozialarbeiter an Dokumenten mithilfe der App. Fast 50 Geflüchtete aus verschiedenen Ländern haben diese Veranstaltungen bereits besucht. "Für Geflüchtete ist es auch nützlich, sich gegenseitig zu sehen, Erfahrungen auszutauschen und denen zu helfen, die noch nicht zurechtkommen. Dank dieses Systems spart der Sozialarbeiter erheblich Zeit. Während er früher einer Person helfen konnte, folgen ihm jetzt fast zehn Menschen gleichzeitig", sagt Nazario Melchionda.

Modell auf andere Bundesländer ausweiten

Solche gemeinsamen Treffen motivieren auch die Asylsuchenden selbst, sich gegenseitig zu helfen, positive Erfahrungen zu teilen und auf Fehler hinzuweisen, um andere zu warnen. Wann kommt die App? Derzeit wird die App getestet, und die Entwickler suchen nach Fördermitteln für die weitere Arbeit. Es ist noch unklar, ob sie ganz Deutschland abdecken kann, da die Gesetzgebung in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich ist. Wenn der Versuch in Baden-Württemberg jedoch zum Durchbruch führt, könnten ihn auch andere Bundesländer nachmachen. Derzeit ist die App auf Deutsch, Englisch, Türkisch, Ukrainisch, Russisch, Persisch, Arabisch und Französisch verfügbar. Die Entwickler planen nun, die Funktionalität zu verbessern. Das bedeutet, dass sie an der Behebung technischer Fehler und der Verbesserung der Benutzeroberfläche arbeiten, um die App für Menschen jeden Alters und jeder technischen Kompetenz intuitiv bedienbar zu machen.

Die Initiatoren des Projekts betonen, dass für den Erfolg der App auch eine stabile Leistung bei hohem Nutzerandrang gewährleistet sein muss. Die Nutzung eines solchen Tools ist sowohl für Geflüchtete als auch für das deutsche Sozialsystem von Vorteil. Die Verwaltung kann sich auf die Bearbeitung von Anträgen und die Unterstützung in komplexen Fällen konzentrieren und so die Anzahl der Anfragen zu einfachen Informationen reduzieren. Dies spart nicht nur Ressourcen, sondern beschleunigt auch die Prozesse für alle Nutzer. Wenn ein solches Programm auf nationaler Ebene eingeführt wird, könnte es Zehntausenden von Neuankömmlingen helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden.

evangelisch.de dankt der Diakonie Württemberg und Amal, Berlin! für die inhaltliche Kooperation.