Der dritte im Bunde, Harald Neuhauser (Marcus Mittermeier), ist ohnehin durch seine stetig wechselnden Bekanntschaften derart abgelenkt, dass die Fälle mitunter zur lästigen Nebensache werden. Dass er im neunzehnten Film der 2014 gestarteten Reihe vom Vorgesetzten zum "besten Polizisten Bayerns" erklärt wird, ist mithin pure Selbstironie: Die Vorlage stammt vom Darsteller selbst. "Die indische Methode" ist Mittermeiers erstes verfilmtes Drehbuch. Der Niederbayer hat zwar gemeinsam mit Jan Henrik Stahlberg bereits zwei Kinofilme realisiert, aber das ist lange her ("Muxmäuschenstill", 2004, und "Short Cut to Hollywood", 2009); seither hat er sich aufs Schauspiel konzentriert.
Vordergründig geht es um die Aufklärung eines Mordes. Weite Teile des Krimis spielen in einem Münchener Mädcheninternat, das von den Töchtern der halben bayerischen Staatsregierung besucht wird. Das Mordopfer stammt allerdings aus gewöhnlichen Verhältnissen: Kim war der Star des Volleyballteams und hatte ein Sportstipendium. Das Motto der Schule lautet "Unitas utilis", Einheit ist nützlich: Gemeinsame Ziele lassen sich nur erreichen, wenn alle einträchtig an einem Strang ziehen.
Wenig überraschend zeigt sich alsbald, dass unter den jungen Frauen eine Menge Zwietracht herrscht. Eine benimmt sich dabei besonders auffällig: Caro (Isabel Dornheim) überschüttet Neuhauser und Flierl regelrecht mit Beleidigungen. Als dem Oberkommissar der Kragen platzt und er die verwöhnte Oberschichtgöre kurzerhand in Untersuchungshaft nimmt, wird auch klar, warum sie sich für unangreifbar hält: Das Mädchen hat einen höchst einflussreichen Vater.
Hintergründig bringt Mittermeier einen Aspekt ins Spiel, der die Reihe ebenfalls von anderen unterscheidet: Bei aller Schrulligkeit Schallers und den kleinen Humoresken am Rande geht es oft um ernste Themen. Flierl hat ihren krank verbrachten Urlaub genutzt, um sich viele Gedanken über das Gegeneinander der Geschlechter zu machen: Männer, sagt sie, wollen immer stark sein, und Stärke bedeute Macht. Das Drehbuch verzichtet auf entsprechende Statistiken über Gewalttaten gegen Frauen und verpackt die Nebenebene ohnehin als fortgesetztes Geplänkel mit Neuhauser; im Verlauf der Gespräche, die sich wie ein roter Faden durchs Drehbuch ziehen, kommen auch Steinzeitmenschen und die Bedrohung durch Säbelzahntiger zur Sprache. Witzig ist das Thema trotzdem nicht. Flierl ist unter anderem überzeugt, dass der Kollege ein höheres Gehalt erhält, denn: "Männer sind gleicher als Frauen." Selbst wenn ihr kriminalistischer Spürsinn schließlich entscheidend zur Lösung des Falls beiträgt: In diesem Punkt liegt sie falsch; und das ist nicht ihr einziger Irrtum.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Da sich Caro, Kims Konkurrentin auf dem Posten der Verteidigerin im Volleyballteam, allzu sehr als Verdächtige aufdrängt, kommt sie aus Sicht des Krimipublikums als Täterin kaum in frage. Hausmeister Küsbert, von Thomas Schmauser zudem äußerst zwielichtig verkörpert, passt ohnehin besser zu Flierls Ausführungen über toxische Männlichkeit: Kim ist auf eine Weise erdrosselt worden, die nach Ansicht des Rechtsmediziners große Kraft erfordert. Wie fast immer in Schulfilmen gibt es auch einen umschwärmten Lehrer: Dr. Roth ist sympathisch, hat eine attraktive Ausstrahlung, ist der Coach des Teams und hatte außerdem einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass Kims ehrgeizige beruflichen Pläne nicht an ihrer Note in Mathematik scheiterten. Der Mann ist tatsächlich zumindest indirekt nicht unbeteiligt, aber den Mord trauen ihm Flierl und Neuhauser nicht zu: Er sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl.
Weil das Trio bei seinen Ermittlungen nicht weiterkommt, entschließt sich Schaller, seine jüngst erlernte "indische Methode" anzuwenden, selbst wenn der Weg zur Erkenntnis nur auf Kosten einer Nahtod-Erfahrung möglich ist. Der letzte Akt, als der Hauptkommissar aufgrund der Folgen seines Experiments auf allerdings sehr witzige Weise praktisch nicht mehr an der Handlung teilnimmt, bereichert "München Mord" wieder mal um ein verblüffendes Element, das in dieser Form allenfalls im "Tatort" aus Münster möglich wäre. Regie führte Matthias Kiefersauer, dessen Inszenierung jedoch längst nicht so ausgefallen ist wie Schallers Ausflug ins Jenseits.