In Deutschland haben sich einige Verbände und Organisationen mit diesem Thema beschäftigt. Sie laden zum Kochen, Spazierengehen oder zum Dialog ein und schaffen einen Raum, in dem Einwanderer und Deutsche sich besser verstehen und leichter kommunizieren können. Der Diakonieverband der Region Esslingen in Baden-Württemberg zum Beispiel hat in den umliegenden Orten Sprachcafés eingerichtet und eine freundschaftliche Atmosphäre zum Kennenlernen geschaffen.
Während meiner Reise in die Region besuche ich ein solches Sprachcafé. Mir fällt auf, dass die Atmosphäre dort ganz anders ist als im Klassenzimmer. Es werden Alltagsthemen angesprochen und die Teilnehmer erkennen, dass es besser ist, ihre Schüchternheit beiseite zu legen und die Fragen, die ihnen in den Sinn kommen, frei zu stellen. Auf diese Weise lernen sie die Sprache und die Gesprächspartner können sich gegenseitig verstehen. Auch die Bürgermeisterin von Nürtingen ist bei diesem Treffen anwesend. Sie spricht intensiv mit den Einwanderern.
Obaidullah Nazari ist ein Einwanderer aus Afghanistan, der fast jede Woche das Sprachcafé in Nürtingen besucht. Seit drei Jahren und sechs Monaten lebt er mit seiner Familie in der Stadt.
Herr Nazari, warum sind Sie nach Deutschland ausgewandert?
Ich war Staatsanwalt in Afghanistan, und ich war von 2014 bis 2015 bei der giz, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, in der Frauenrechtsabteilung tätig. Nachdem dieses Projekt abgeschlossen war, wurde ich wieder Staatsanwalt und war bis zum Angriff der Taliban in diesem Bereich tätig. Als ehemalige Ortskraft konnte ich dann Hilfe der giz nach Deutschland einreisen. Einen Tag nach dem Taliban-Angriff gelang es uns irgendwie zum Flughafen zu kommen. Meine Familie war bei mir. Wir sind nach Usbekistan
geflogen und dann nach Deutschland geholt worden.
Wie ist Ihr Verhältnis zur deutschen Sprache?
Wenn wir eine andere Sprache lernen, werden wir tatsächlich zu zwei Menschen statt zu einer Person. Die deutsche Sprache ist gut, aber etwas schwerfällig. Mir fehlt es an mir selbst, mein Selbstvertrauen ist gering. Das macht mein Lernen langsamer. Allerdings ist mein Englisch gut und ich kann mich verständigen.
Warum glauben Sie, dass Ihr Selbstvertrauen beim Sprachenlernen gering ist?
Wir sind in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der wir befürchten, dass es jemanden verletzen könnte, wenn wir etwas Falsches sagen. Die Deutschen haben dieses Gefühl nicht. Immer wenn wir Deutsch sprechen, auch wenn es falsch ist, ermutigen sie uns, besser zu lernen. Aber ich habe immer noch das Gefühl, dass ich nicht frei sprechen kann. Vielleicht liegt es daran, dass Gesellschaft, Kultur und Menschen für mich allesamt neu sind. In unserem Land haben wir einen eigenen Brauch, der sich von Deutschland unterscheidet: Wir sprechen ein wenig verschlossen.
Nehmen Sie neben dem Sprachcafé auch an Deutschkursen teil?
Im Moment habe ich die Sprachkurse auf dem B1-Niveau abgeschlossen, aber ich habe große Schwierigkeiten beim Sprechen. Ich nehme seit etwa drei, vier Monaten am Sprachcafé teil. Es findet einmal in der Woche statt. Das Sprachcafé hat mir sehr dabei geholfen, sprechen und mich ausdrücken zu können. Hier habe ich das Verhalten der Deutschen besser kennengelernt. Das macht es für mich leichter, mit Menschen hier ins Gespräch zu kommen.
Wie können Sie Ihrer Meinung nach Ihr Selbstvertrauen stärken? Hilft es, mit Deutschen zu sprechen und zu kommunizieren?
Der beste Weg für mich ist, mit Menschen in Kontakt zu treten. Soziale Interaktion hilft mehr als das Klassenzimmer. Ich habe einige meiner Landsleute in Deutschland gesehen, die Analphabeten sind, sich aber sehr gut auf Deutsch verständigen. Die Grundlagen erlernt man im Kurs, die Sprache lässt sich aber nur durch die Kommunikation mit Menschen vermitteln.
Manche sagen, dass es ausreicht, die Sprache zu lernen. Denken Sie auch, dass Sie sich nur durch das Erlernen der Sprache in die Gesellschaft integrieren können, oder brauchen Sie andere Dinge?
Sprache ist die Grundlage für die Kenntnis einer Gesellschaft und ihrer Menschen. Wenn Sie die Sprache lernen, können Sie sich leichter in die neue Gesellschaft integrieren, aber die Sprache ist nur ein Faktor. Ein weiterer Faktor ist unser eigenes Verhalten gegenüber den anderen und die Kenntnis ihrer Kultur.
Glauben Sie, dass Sie in Zukunft Staatsanwalt in Deutschland werden können?
Nichts ist unmöglich. Es hängt von der Person selbst ab. Es hängt davon ab, wie entschlossen sie auf ihr Ziel zugeht und wie klar sie in ihrer Entscheidung ist. Aber in meinem Fachgebiet gibt es echte Hindernisse. Die Gesetze, die ich im Studium gelernt habe, unterscheiden stark vom deutschen Recht. Ich müsste meine Ausbildung also noch einmal von vorne beginnen. Ich denke, dass meine Zeit dafür vorbei ist. Aber ich interessiere ich mich sehr für dieses Gebiet. Das erste Hindernis ist die deutsche Sprache, sie ist schwer zu lernen. Aber es ist
nicht unmöglich.
Maryam Mardani hat im Iran englische Literatur studiert und ist für ihre Doktorarbeit nach Deutschland gekommen. Heute schreibt sie Kurzgeschichten und leitet das Kulturressort in der Dari/Farsi-Redaktion von Amal, Berlin!