TV-Tipp: "Der gute Bulle: Heaven can wait"

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25. November, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der gute Bulle: Heaven can wait"
Lars Beckers Filme sind bekannt dafür, keine Krimis im klassischen Sinn – Tat, Ermittlung, Auflösung – zu erzählen. Das gilt auch für "Heaven can wait" (der Himmel kann warten), selbst wenn die Handlung klassisch mit einem Mord beginnt.

Schön, stark und mutig kann jeder! Viel interessanter ist doch der Antiheld, der gar keine Lust auf den Kampf gegen das Böse hat. Armin Rohde verkörpert diesen Typus schon seit gut zwanzig Jahren in Lars Beckers ZDF-Reihe "Nachtschicht" (seit 2003), aber erst mit "Der gute Bulle" (seit 2017) haben Regisseur und Hauptdarsteller die Grenzen des Antihelden ausgereizt. Rohde spielt in den Filmen einen Berliner Hauptkommissar, der wegen seines Alkoholproblems aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist. In der vierten Episode, "Heaven can wait", setzt Becker (Buch und Regie) noch eins drauf: Fredo Schulz leidet schon länger unter Magenproblemen. Die Diagnose ist niederschmetternd: Er hat Krebs, der Arzt (Robert Schupp) gibt ihm drei Monate. Eine Chemotherapie könnte ihm ein halbes Zusatzjahr bescheren, um Dinge zu tun, die ihm Spaß machen. 

Abgesehen von seinen Komödien neigt Rohde ohnehin nicht zu überschwänglicher Mimik, aber die Rolle des pragmatischen und sich gern unempathisch gebenden Polizisten spielt er praktisch nur nach innen. Deshalb würde auch bloß ein Blick genügen, um zu verdeutlichen, dass "Spaß" im Leben dieses Mannes bislang keine Option war. Dass Schulz die Hiobsbotschaft dennoch aus dem Off kommentiert, ist daher komplett überflüssig. Da er nun jedoch nichts mehr zu verlieren hat, gibt es auch keinen Grund mehr, auf Alkohol zu verzichten, was dem Film eine ziemlich skurrile Kneipenszene beschert; Whisky und starke Schmerzmittel ergeben eine ungute Mischung.

Beckers Filme sind bekannt dafür, keine Krimis im klassischen Sinn – Tat, Ermittlung, Auflösung – zu erzählen. Das gilt auch für "Heaven can wait" (der Himmel kann warten), selbst wenn die Handlung klassisch mit einem Mord beginnt. Weil das Publikum Zeuge des Verbrechens ist, geht es fortan weniger um die Suche nach dem Täter, sondern um eine ganz andere Frage: Vor einigen Jahren hat sich das Oberhaupt des Berri-Clans aus dem illegalen Geschäft zurückgezogen, zumindest offiziell.

Samir Berri (Husam Chadat) ist jetzt Geschäftsmann und betreibt neben einem Autohandel und einer Pizza-Kette auch ein Bauunternehmen, das kürzlich eins dieser riesigen Neuköllner  Mietshäuser übernommen hat. Der unansehnliche Bau soll saniert werden, weshalb Berri junior (Mo Issa) den Mietern ein Angebot macht, das sie besser nicht ablehnen sollten. Als bei einem Rauschgift-Deal Berris Mann fürs Grobe und dann der Clanchef selbst erschossen werden, ahnt Schulz, dass irgendjemand im Hintergrund die Fäden zieht, um die Geschäfte des Clans zu übernehmen. All’ das ist jedoch bloß der Handlungsrahmen. Über weite Strecken interessiert sich Becker viel mehr für seine Figuren als für die Geschichte. Entsprechend bedeutsam ist die Besetzung.

Zwar wirken auch wieder Johann von Bülow und Sabin Tambrea als Polizisten mit, aber viel wichtiger sind die Menschen im Zwielicht. Am spannendsten ist Berris Tochter Mona, die mit den Machenschaften ihres Vaters nichts zu tun haben will. Das ändert sich, als er vor ihren Augen umgebracht wird; eine Wende, die sich als Reminiszenz an Francis Ford Coppolas Klassiker "Der Pate" (Teil 2) betrachten lässt, zumal ihr Bruder ein braver Jurastudent ist. Für die Schweizerin Sabrina Amali, die zu Beginn des Jahres in einer völlig anderen, aber nicht minder bemerkenswerten Rolle als Titelheldin der ARD-Serie "Die Notärztin" zu sehen war, ist "Heaven can wait" nach ihrem Auftritt als Gast-Star in der "Harter Brocken"-Episode "Das Überlebenstraining" (2022) eine weitere Gelegenheit, Zartheit mit Härte zu vereinigen.

Zu einer weiteren zentralen Figur wird ein vergleichsweise harmloser Dealer (Farba Dieng), der früher mit Mona liiert war und nun in einen Strudel gerät, der ihn in den Abgrund reißt. Etwas Ähnliches widerfährt auch Schulz, dem wenig überraschend im entscheidenden Moment die Kräfte schwinden. Das Ende des inszenierten Films hat Becker offen gelassen, aber der Monolog zum Schluss, als der Polizist gar ein Gebet in Erwägung zieht, klingt wie ein Abschied.

Andererseits: Zum Beten ist es nie zu spät; vielleicht wird ihm ja eine Bonusrunde gewährt. Kneipenwirtin Esra (Anica Dobra), Mutter von Schulz’ im letzten Film ("Nur Tote reden nicht", 2020) ermordeten früherem Partner, würde sich freuen; und die Fans der Reihe selbstredend ebenfalls. Dann kann Becker auch gern wieder auf die Off-Kommentare der Beteiligten verzichten, denn abgesehen vom Epilog haben sie der Handlung kaum etwas hinzuzufügen. Die Bildgestaltung (Alexander Sachs) ist allerdings wie auch die gewohnt sachliche und schnörkellose Inszenierung sehenswert.