Missbrauchsopfer und Bistum Hildesheim stimmen Güteverhandlung zu

Missbrauchsopfer und Bistum Hildesheim stimmen Güteverhandlung zu
Kläger fordert 400.000 Euro Schmerzensgeld
Im Alter von neun bis elf Jahren wurde Jens Windel von einem Pfarrer schwer missbraucht, wie er sagt. Die Kirche hält seine Entschädigungs-Forderungen für zu hoch. Daher zog der 50-Jährige vor Gericht. Am Freitag hat der Prozess begonnen.

Hildesheim (epd). Im Schmerzensgeld-Prozess des Missbrauchsbetroffenen Jens Windel gegen das Bistum Hildesheim haben beide Parteien am ersten Verhandlungstag einer gerichtlichen Mediation zugestimmt. Windels Ansprüche seien wegen Verjährung vermutlich nicht durchsetzbar, begründete der Vorsitzende Richter und Präsident des Hildesheimer Landgerichts, Jan-Michael Seidel, den Vorschlag einer Güteverhandlung. Das Bistum setzt in dem Zivilprozess auf die Einrede der Verjährung.

Erstmals wird in Niedersachsen eine Schmerzensgeldklage gegen ein Bistum vor Gericht verhandelt. Windel hat das Bistum auf 400.000 Euro verklagt. Der 50-jährige Hildesheimer beschuldigt einen mittlerweile verstorbenen Pfarrer, ihn in den Jahren 1984 bis 1985 schwer sexuell missbraucht zu haben. Angesichts des Leids, das er erfahren habe, seien Anerkennungsleistungen in Höhe von 50.000 Euro viel zu gering, argumentiert Windel. Die „Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen“ (UKA) in Bonn hatte die Summe festgelegt.

Dem Bistum gehe es in dem Verfahren auch darum, vor Gericht Rechtssicherheit zu bekommen, sagte dessen Rechtsanwalt Stefan Weisbrod. Dennoch sei das Bistum gesprächsbereit und begrüße den Vorschlag einer gerichtlichen Streitbeilegung. Einen außergerichtlichen Vergleich hatte das Bistum zuvor trotz Windels Forderung abgelehnt, mit der Begründung, eine solche Einigung würde das UKA-Verfahren beschädigen. Zudem sei das Bistum verpflichtet, sorgsam mit Kirchensteuermitteln umzugehen.

Windel warf dem Bistum einen unsensiblen Umgang mit Missbrauchsbetroffenen vor. Dass die Kirche es auf einen Prozess habe ankommen lassen, sei „unterste Schublade“, sagte er am Rande der Verhandlung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Verfahren bedeute eine erhebliche Belastung für ihn.

Den von der katholischen Kirche anerkannten außergerichtlichen Entschädigungsverfahren wollte sich Windel indes nicht weiter aussetzen, wie er sagt. Auf diesem Wege habe man ihn, jeweils nach langen Wartezeiten, „in Salamietechnik mit kleinen Summen abgespeist“. Insgesamt habe er bereits vier Verfahren hinter sich, zwei vor der Zentralen Koordinierungsstelle der Deutschen Bischofskonferenz, zwei vor der 2021 eingesetzten Unabhängigen Kommission.

Vor dem Gericht protestierten am Freitag Aktivisten gegen das Vorgehen des Bistums in Jens Windels Prozess. Zu diesem Zweck hatte die religionskritische Giordano-Bruno-Stiftung schon am Mittwoch ihren „Hängemattenbischof“ vor dem Gebäude aufgebaut, eine mobile Großplastik des Künstlers Jacques Tilly. Präsenz zeigte auch die von Windel gegründete „Betroffeneninitiative Hildesheim“.

Die Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ warb überdies für ihre Petition „Keine Einrede der Verjährung in Schmerzensgeldprozessen!“, die nach eigenen Angaben bereits auf mehr als 65.000 Unterschriften kommt. Die Petenten fordern die katholische Kirche auf, in Zivilprozessen auf diese Einrede zu verzichten.

Bundesweit sind ähnliche Klagen gegen mehrere andere Bistümer anhängig. Im Juni 2023 hatte das Landgericht Köln einem Missbrauchsbetroffenen mit 300.000 Euro das bislang höchste Schmerzensgeld zugesprochen. Er war als Messdiener im Erzbistum Köln missbraucht worden und hatte ursprünglich 750.000 Euro gefordert.