Theologe warnt vor virtueller Wiederauferstehung von Toten

Reiner Anselm
Bertold Bundschuh
Der Münchner Theologe Reiner Anselm.
Trauer und KI
Theologe warnt vor virtueller Wiederauferstehung von Toten
Erste Tech-Firmen bieten an, mit Verstorbenen zu kommunizieren - mit Hilfe von Chatbots und Avataren, die von einem KI-generierten Sprachmodell gefüttert werden. Die virtuelle Wiederauferstehung von Toten mittels Künstlicher Intelligenz ist nach Einschätzung des Münchner Theologen Reiner Anselm aber kritisch zu bewerten.

Es seien "reine Nachahmungsmaschinen, die so tun, als ob sich Leben verlängern ließe", sagte Rainer Anselm. Diese Maschinen könnten zudem nicht mit dem Gesprächspartner interagieren: "Das wird nur simuliert", unterstrich der Professor für Systematische Theologie der Ludwigs-Maximilian-Universität. Er führte aus, dass die After-Life-Industrie Menschen auf Information reduziere. Deren mögliche Reaktionsweisen, Körperlichkeit, Empfindungen, Gefühle und auch sichtbaren Verletzungen würden nicht wahrgenommen.

Der Mensch habe von jeher versucht, Endlichkeit und Tod zu verarbeiten, sagte Anselm. Mit Toten zu reden gehöre zur Erinnerungskultur, aber es seien stumme Gespräche gewesen, weil die Verstorbenen nichts mehr erwidern konnten. Die neuen technischen Möglichkeiten versuchten so zu tun, als ob jemand noch präsent wäre. "Das halte ich für problematisch, weil es Kunstfiguren sind, die da entstehen", weil der Verstorbene nun einmal nicht mehr da sei. Das deutlich zu machen, sei auch der Sinn von Beerdigungsfeierlichkeiten.

Die technischen Versuche von virtueller Wiederauferstehung unterschieden sich grundlegend von der Art, wie Religionen versuchten, mit Tod und Endlichkeit umzugehen, sagte Anselm: "Die Zukunft, die die Bibel vor Augen hat, ist nicht die Verlängerung der Gegenwart, sondern eine Zukunft, die uns entgegenkommt." Im Jenseits gebe es keine Zeit mehr und der Mensch erlange ein "neues, anderes Sein".

Die Auferstehung sei nicht einfach die Verlängerung unserer Erfahrung, sondern etwas vollkommen Neues, sagte der Theologe und wertete es zugleich als "tröstlich": "Denn wer würde wollen, dass sein Leben, so wie es ist, sich ins Unendliche verlängert. Man nehme irgendeine Situation im Leben und setze sie unendlich fort: Das wäre fürchterlich. Das wäre ein Systemabsturz des Individuums."