Gemeinsames Singen stärkt Rolle von Laien

Singende Kinder
epd-bild/Tim Wegner
Vorher sei das Singen ausschließlich geweihten Personen wie den Priestern vorbehalten gewesen, sagt Kirchenmusik-Experten Bernhard Leube.
Teilnahme am Gottesdienst
Gemeinsames Singen stärkt Rolle von Laien
Das Gesangbuch, das vor 500 Jahren in der evangelischen Kirche eingeführt wurde, hat nach Auffassung des Kirchenmusik-Experten Bernhard Leube die Rolle der Laien im Gottesdienst entscheidend gestärkt.

Durch das von den Reformatoren angeregte gemeinsame Singen seien alle Gottesdienstteilnehmer an der Liturgie beteiligt worden, so Kirchenmusik-Experten Bernhard Leube. Vorher sei das ausschließlich geweihten Personen wie den Priestern vorbehalten gewesen, sagt der frühere Professor an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik (Tübingen) am Sonntag im Ulmer Münster zum Thema "Erfindung der Reformation: Das Gesangbuch".

Zum Jubiläum des Gesangbuchs beleuchtet eine Matinée-Reihe im Münster an drei Sonntagen Geschichte und Zukunft des Singens in der Kirche. Voraussetzung für ein allgemeines Gesangbuch sei eine umwälzende technische Innovation gewesen ähnlich der Einführung des Internets heute: Dank der Erfindung der beweglichen Drucklettern durch Johannes Gutenberg (1400 - 1468) konnten auch Noten als Massenerzeugnis gedruckt werden und geistliche Lieder in eine breite Öffentlichkeit kommen, erläutert Leube.

Als erstes evangelisches Gesangbuch erschien 1524 das "Achtliederbuch" in Nürnberg mit vier Liedern von Martin Luther, gefolgt von dem "Enchiridion" (Handbüchlein) in Erfurt und dem "Geistlichen Gesangsbüchlein" in Wittenberg, dem ersten Chorgesangbuch mit einem Vorwort des Reformators. Da die meisten Menschen zur Zeit der Reformation nicht lesen konnten, sangen sie die Lieder nach und lernten sie auswendig. Im Laufe der Zeit entstanden dann über 7.000 verschiedene Gesangbuchausgaben.

Diese Gesangbücher hatten Leube zufolge eine entscheidende Bedeutung für die jeweils eigene religiöse Identität. So habe es lange Zeit über Menschen einer anderen Konfession geheißen, sie hätten "ein falsches Gesangbuch". Die Einführung neuer Gesangbücher hätten häufig "Entrüstungsstürme" ausgelöst, wenn etwa altgewohnte Lieder ausgesondert werden sollten. An einer Neufassung des Gesangbuchs, die 2028 erscheinen soll, arbeitet zurzeit eine deutsch-österreichische Kommission von Kirchenmusikern.

Zum Abschluss der Matinée-Reihe "500 Jahre Evangelisches Gesangbuch" im Ulmer Münster befasst sich am 27. Oktober Frieder Dehlinger vom württembergischen Amt für Kirchenmusik unter dem Titel "Auf dem Weg zum neuen Gesangbuch" mit der Weiterentwicklung der geistlichen Liedersammlung.