Neue Bios mit viel Potential

Viele aufgeschlagene Bücher
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Aus unzähligen Biografien über spannende Lebensläufe hat das Literaturportal Eliport vier besondere herausgegriffen und stellt sie uns vor.
Blick in die Literatur: Buchtipps
Neue Bios mit viel Potential
Biografien können ein Schatz für Leser:innen sein. Zu lesen, wie ein anderer schwierige Situationen und Zeiten gemeistert hat, nach Niederlagen wieder aufgestanden ist, was die Person wieder aufgerichtet hat - darin steckt eine große Kraft. Ganz nebenbei erfährt man anhand von Einzelschicksalen viel über Zeitgeschichte und Gesellschaft. Das Evangelische Literaturportal hat diese Woche vier 2024 erschienene, herausragende Biografien ausgewählt, darunter zwei Schriftstellerbiografien.

Martin Luther King - Ein Leben

Jonathan Eig: Martin Luther King - Ein Leben.

Umfangreiche Biografie, die Leben und Wirken Kings als Anführer der US-Bürgerrechtsbewegung aus heutiger Perspektive darstellt.

In seiner umfangreichen Biografie beschreibt der bekannte Journalist Jonathan Eig das Leben des einflussreichsten Anführers und Vordenkers der US-Bürgerrechtsbewegung mit allen seinen Stärken (begnadeter Redner und Aktivist) und Schwächen (Ehebrecher und mit Depressionen kämpfend). Es gelingt ihm hervorragend, King in all seiner Komplexität und Widersprüchlichkeit als echten Menschen zu zeichnen, der nach seinen frühen Erfolgen zwischen den wachsenden Erwartungen seiner Anhänger und dem zunehmenden Widerstand des weißen Establishments zerrieben wurde. Dabei stützt er sich auf zahlreiche bislang unveröffentlichte Quellen (Interviews mit Zeitzeugen und Weggefährten Kings, Tonaufnahmen, Briefe), darunter erst vor kurzem freigegebene FBI-Akten, die belegen, wie die US-Regierung versuchte, King zu diskreditieren und mundtot zu machen, was auch mit seinem zunehmenden Engagement gegen den Vietnamkrieg zu tun hatte. Das Buch liest sich über weite Strecken trotz der Detailfülle spannend und man bekommt einen erschütternden Einblick in den alltäglichen Rassismus in den USA in dieser Zeit.

Eine vorzügliche Biografie, die den Menschen Martin Luther King hinter der Legende zeigt. Wer sich eingehend mit seinem Leben und Wirken befassen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Wolfgang Vetter

Martin Luther King - Ein Leben. Jonathan Eig. Dt. von Sylvia Bieker u. Henriette Zeltner-Shane. München: Dt. Verl.-Anst. 2024. 750 S. : Ill. ; 22 cm. Aus d. Engl. ISBN 978-3-421-04845-5, geb.: 34,00 €

Emigrant des Lebens. Erich Kästners letzte Jahre

Gregor Eisenhauer: Emigrant des Lebens. Erich Kästners letzte Jahre.

Die bedrückenden letzten Lebensjahre Erich Kästners (1899-1974) finden ihren Ursprung in der Kindheit und dem Einbruch seiner Popularität nach dem 2. Weltkrieg.

Der Verfasser fokussiert sich bei der Lebensbeschreibung des berühmten Schriftstellers auf die letzten Jahre. Er unterlegt sie jedoch mit dem gesamten historischen und politischen Hintergrund von den 20er bis in die 70er Jahre. Die Liebe hat sein Leben ruiniert, sagt er. So hat die Mutter wie auch später die Lebensgefährtin ihn mit Selbstmordabsichten unter Druck gesetzt und gebunden. Die unzähligen Liebschaften bleiben unverbindlich. Besonders interessant die Schilderung der NS-Zeit, in der er Publikationsverbot bekommt. Er emigriert aber nicht, um später schriftstellerisch zu mahnen, was nie passiert. Als Kulturbolschewist abgestempelt findet er nicht den Anschluss an die großen Namen, wie Thomas Mann und Bertolt Brecht. Seinen Ruhm der Vorkriegszeit vermag er nicht in die letzte Lebensphase  hinüber zu retten, sie bleibt belanglos.

Eine lohnende Lektüre, die nicht nur Freunde seiner beliebten Kinderbücher, sondern auch historisch interessierte Leser fesseln werden. Annette Blanke

Emigrant des Lebens. Erich Kästners letzte Jahre. Gregor Eisenhauer. Halle (Saale): Mitteldt. Verl. 2024. 199 S. ; 21 cm.
ISBN 978-3-96311-957-6, kt.: 20,00 €

Knife - Gedanken nach einem Mordversuch

Salman Rushdie: Knife - Gedanken nach einem Mordversuch.

Der fabulierfreudige Autor der "Satanischen Verse" lässt sich auch durch ein Messerattentat nicht zum Schweigen bringen.

Seit der iranische Ajatollah wegen seiner "Satanischen Verse" 1989 eine Fatwa gegen Salman Rushdie aussprach, lebt der Schriftsteller jahrzehntelang unter Polizeischutz. In "Knife" beschreibt Rushdie zunächst, wie sich sein Alltag in den letzten Jahren allmählich wieder normalisiert. Er besucht Restaurants und Veranstaltungen und nimmt am kulturellen Leben teil. Überdies lernt er mit 70 Jahren die Frau seines Lebens kennen. Am 12. August 2022 wird Rushdie während eines Vortrags mit einem Messer angegriffen. In seinem autobiografischen Bericht erzählt Rushdie vom schwierigen Umgang mit seinen körperlichen Verletzungen – er verliert ein Auge und muss mühsam die Kontrolle über seine Schreibhand wiedererlangen – und der verstörenden Erfahrung, dem Tod nur knapp entkommen zu sein. Höhepunkt des autobiografischen Berichts ist ein fiktiver Dialog mit seinem Attentäter, der sich zwar nur in seinen Gedanken abspielt, ihm aber auf dem Weg der körperlichen und seelischen Heilung weiterhilft.

Ungewohnt schnörkellos und prosaisch erzählt der sonst so fabulierfreudige Autor von den Folgen des Angriffs, was den autobiografischen Bericht aber umso eindrucksvoller macht. Thomas Hardtke

Knife - Gedanken nach einem Mordversuch. Salman Rushdie. Dt. von Bernhard Robben. München: Penguin 2024. 254 S. ; 22 cm.  Aus d. Engl.
ISBN 978-3-328-60327-6, geb.: 25,00 €

Verrücktes Blut. Oder: wie ich wurde, der ich bin. Joe Bausch

Joe Bausch: Verrücktes Blut. Oder: wie ich wurde, der ich bin.

Nachkriegskindheit – ein prominenter Autor erzählt von Missbrauch und Gewalt.

In den 50er, 60er Jahren aufgewachsen als Bauernkind in einem Dorf im Westerwald: Das war kein Zuckerschlecken. Der Mann, der sich heute Joe Bausch nennt, jahrzehntelang Gefängnisarzt in Werl war und im Kölner "Tatort" den Rechtsmediziner Joseph Roth spielt, blickt zurück auf seine Jugend. Der Vater hat ihn regelmäßig geschlagen, und wenn das damals auch üblich war, so macht das die Sache nicht besser. Joe Bausch erzählt von Einsamkeit, Missbrauch, Brutalität und Schweigen – aber auch von Freiheit und Solidarität im Dorf. Vielen Altersgenossinnen werden seine Geschichten bekannt vorkommen, Jüngere können staunen. Bausch erzählt sein Leben bis zum Wehrdienst, an dem er – nach einer erfolglosen Verweigerung – furchtbar scheiterte. Man spürt seine Zerrissenheit, er nennt es Verrücktheit, aber sympathisch wirkt er doch. Ein Kämpfer, nicht nur für die eigene Sache. Spannend und gut zu lesen. Anne Buhrfeind

Verrücktes Blut. Oder: wie ich wurde, der ich bin. Joe Bausch. Berlin: Ullstein extra 2024. 239 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-86493-248-9, geb.: 22,99 €

evangelisch.de dankt dem Evangelischen Literaturportal Eliport für die inhaltliche Kooperation.