Pfarrerin fragt: Ist "der blanke Neid - Sünde oder Chance?"

e Pfarrerin Nina Meyer
epd-bild/Emmausgemeinde
Pfarrerin Nina Meyer zum Felde war erst am vergangenen Wochenende das letzte Mal neidisch auf eine Freundin, die im Gegensatz zu ihr, jederzeit ihre Mutter zur Kinderbetreuung einspannen kann.
"GoSpecial"-Gottesdienst
Pfarrerin fragt: Ist "der blanke Neid - Sünde oder Chance?"
Ist Neid immer ein schlechtes Gefühl? Muss man sich dafür schämen? Und sind Pfarrerinnen und Pfarrer auch mal neidisch? Fragen, die Pfarrerin Nina Meyer zum Felde am Sonntag (13. Oktober) in ihrem besonderen "GoSpecial"-Gottesdienst in der Emmausgemeinde im schwäbischen Kissing beantworten will. Ein Gespräch mit ihr über das uns allen bekannte Gefühl.

Der Gottesdienst steht unter dem Motto: "Der blanke Neid - Sünde oder Chance?" Er beginnt ab 17:30 und wird auch per YouTube-Livestream ins Internet übertragen.

epd: Frau Meyer zum Felde, wann waren Sie denn zum letzten Mal richtig neidisch?

Nina Meyer zum Felde: Ich denke, das war erst am vergangenen Wochenende. Ich war neidisch auf eine Freundin, weil sie einfach sagen kann: "Wenn ich keine Zeit habe oder einmal eine Pause brauche, dann rufe ich einfach meine Mutter an - und die kümmert sich dann um die Kinder!" Das ist ein großer Luxus, den mein Mann und ich so nicht kennen. Und diejenigen, die ihn haben, wissen ihn oft nicht wirklich zu schätzen, glaube ich.

Aber darf man als Pfarrerin überhaupt neidisch sein - so von wegen sieben Todsünden und so?

Meyer zum Felde: Ich weiß, der Mythos hält sich hartnäckig, dass Pfarrerinnen und Pfarrer perfekt sind oder perfekt zu sein haben. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Sind sie nicht. Und das ist auch ganz gut so. Wie soll man vor etwas warnen, das man selbst nicht kennt! Wobei: Ich würde sowieso sagen, dass Neid - wie jedes Gefühl - an sich weder gut noch schlecht ist. Das, was man draus macht, ist gut oder schlecht.

"Der Neid ist übrigens meiner Meinung nach auch die einzige Todsünde, die sich von Anfang an schlecht anfühlt."

Neid ist aus Ihrer Sicht also nicht immer ein schlechtes Gefühl?

Meyer zum Felde: Nein, aber es fühlt sich immer richtig bescheiden an, neidisch zu sein. Denn es entsteht ja immer dann, wenn man sich mit anderen vergleicht, die etwas haben oder können, was man selbst nicht hat oder nicht kann. Das ist immer ein ungutes Gefühl: Minderwertigkeit, Scham, Peinlichkeit, Unzufriedenheit. Der Neid ist übrigens meiner Meinung nach auch die einzige Todsünde, die sich von Anfang an schlecht anfühlt.

Wie kann man denn aus einem Neidgefühl etwas Positives machen?

Meyer zum Felde: Das erfordert ein bisschen Selbstkonfrontation und Überwindung. Denn man muss einen Schritt zurücktreten und sich selbst fragen: Warum bin ich denn auf dies und das neidisch? Was fehlt mir? Ich glaube, Neid weist immer auf einen Mangel oder eine Unzufriedenheit hin. Wenn ich den Grund dafür kenne, kann ich dagegen arbeiten und überlegen, wie ich diesen Mangel oder diese Unzufriedenheit beheben kann.

Das klingt ziemlich abstrakt. Können Sie das mal an einem Beispiel erläutern?

Meyer zum Felde: Naja, ich kann zum Beispiel neidisch sein auf den superfitten Nachbarn, der täglich zum Joggen geht. Aber ich kann mich auch aufraffen, wenn ich es nur stark genug will. Neid auf den sportlichen Körper eines anderen kann mich ja auch motivieren, selbst etwas für mich und meine Gesundheit zu tun. Man muss sich eben nur eingestehen, dass Fitness nicht vom Himmel fällt, sondern ziemlich harte Arbeit ist.

Biblisch gesehen endet Neid aber doch immer in der Katastrophe: Kain und Abel, Judas und Jesus...

Meyer zum Felde: Ja, das stimmt schon. Es nimmt immer ein schlimmes Ende, aber selbst dann ist Gott für uns da. Neid wird auch schon in den Zehn Geboten thematisiert. Denn Gott will, dass es uns gut geht - und er weiß, dass Neid uns nicht guttut. Wer immer neidisch auf andere guckt, der verliert das Schöne in seinem Leben aus dem Blick, das Gott uns geschenkt hat. Das ist auch die Botschaft in unserem Gottesdienst.

Ehrlicherweise gibt es ja auch in der Kirche viel Neid. Wie kommt's?

Meyer zum Felde: In der Kirche arbeiten auch nur Menschen - und dann menschelt's eben auch bei den Haupt- und den Ehrenamtlichen mal. Ich versuche in solchen Situationen, wenn ich merke, da ist Neid im Spiel, erst mal mich selbst zu fragen, welchen Anteil ich daran habe - und dann: Wie kann ich es auch als Chance sehen? Denn: Wer neidisch auf andere ist, kann vielleicht andere Dinge sehr gut und soll dann genau das machen! Außerdem versuche ich, "meine" ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu begleiten, sie in ihren individuellen Fähigkeiten zu fördern und sie zu loben und zu bestärken. Meiner Erfahrung nach kann ein wertschätzender Umgang dazu beitragen, Neid deutlich zu reduzieren.

"Neid gab es natürlich schon immer, aber die Selbstdarstellung einiger in den sozialen Medien befeuert Neid regelrecht. Die meisten präsentieren sich dort als makellos, immer gut gelaunt, alles ist rosarot - aber so ist das Leben halt nicht."

Warum war es Ihnen denn so wichtig, Neid zum Gottesdienst-Thema zu machen?

Meyer zum Felde: Weil ich finde, dass der Neid zugenommen hat. Neid gab es natürlich schon immer, aber die Selbstdarstellung einiger in den sozialen Medien befeuert Neid regelrecht. Die meisten präsentieren sich dort als makellos, immer gut gelaunt, alles ist rosarot - aber so ist das Leben halt nicht. Und das erzeugt bei vielen Nutzern, bewusst und unbewusst, Neidgefühle. Das sieht man ja auch an manchen Kommentaren dort...

Welche Botschaft soll bei ihren Gottesdienst-Besuchern am Ende denn hängen bleiben?

Meyer zum Felde: Mir ist es in allen Gottesdiensten wichtig, einen lebensbejahenden, ermutigenden, bestärkenden Glauben zu verkünden. Ich will als Pfarrerin nahe bei den Menschen sein - und das geht eben nur mit Themen, die für die Lebenswirklichkeit der Menschen relevant sind. Und das ist der Neid garantiert, so wie andere Themen in unseren "GoSpecial"-Gottesdiensten auch. Für den Neid-Gottesdienst sind mir drei Dinge wichtig: Neid ist ein zutiefst menschliches Gefühl, für das man sich nicht schämen muss. Auch aus einem so unangenehmen Gefühl kann etwas Gutes erwachsen. Der Glaube kann dabei helfen, weniger neidisch zu sein und stattdessen dankbar und zufrieden auf sich selbst und das eigene Leben zu blicken.