Lesetipps zur jüngeren deutschen Geschichte

Mann steht auf Bücherstapel und schaut über Mauer
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Bücher können dabei helfen, die Verbindung zwischen Ost- und Westdeutschland zu stärken.
Blick in die Literatur
Lesetipps zur jüngeren deutschen Geschichte
Die Deutschen feierten am 3. Oktober 2024 35 Jahre Deutsche Einheit und sehen doch, dass einiges noch immer nicht gut zusammengewachsen ist. Es gilt sich um Einheit zu bemühen. Beim Ost-West-Dialog kann Literatur eine wichtige Hilfe sein. Diese Woche empfiehlt das Evangelische Literaturportal Bücher zur (überwiegend jüngeren) deutschen Geschichte, für Kinder und Erwachsene.

In einem alten Haus in Berlin. Ein Streifzug durch 150 Jahre Geschichte

Ein Rundgang durch die deutsche Geschichte, von 1871 bis heute.

Ein großformatiges Bilderbuch, 64 Seiten, ein "Streifzug durch 150 Jahre deutsche Geschichte", mit ungewöhnlichem Zugang. Es ist nämlich auch die Geschichte der angesehenen, wohlhabenden Familie Schwartz, die 1871 in ihr eigenes Mietshaus zieht, darin auch die eigene Apotheke. Jeweils eine große Aufschlagseite präsentiert im Bild Zeitgeschehen einer längst vergangenen Welt, beginnend am 1.4.1871, endend am 18. Juni 2021. Jeweils ein Kind der Familie Schwartz, über die Generationen hinweg, erzählt (aus kindlicher Sicht), wie es in der Familie die jeweilige Zeit erlebt hat, was geschehen ist, was sich verändert hat, optisch verdeutlicht in zahlreichen "Wimmelbildern". So entsteht ein herausragendes Bild Deutschlands, von der Kaiserzeit über die Weltkriege und den Mauerbau bin hin zur Wiedervereinigung. Jeweils ein Bild aus dem Haus lässt die Änderungen der Welt in persönlichen Auswirkungen erkennen, dazu Seiten mit erklärenden Texten, die die Zeit lebendig werden lassen. Herausragend! Astrid van Nahl

Kathrin Wolf. Ill. von Isabel Kreitz. In einem alten Haus in Berlin. Ein Streifzug durch 150 Jahre Geschichte. Hildesheim: Gerstenberg 2023. 64 S. : überw. Ill. ; 35 cm. ISBN 978-3-8369-6088-5, geb.: 28,00 Euro

Wilde Mutter, ferner Vater

Autobiografischer Roman mit viel Lokalkolorit aus Zeiten, in denen Prenzlauer Berg noch kein Szeneviertel war.

Als sie ihren Vater kennen lernte, war Judy schon sieben Jahre alt: Da erst kehrte Willi, gezeichnet von Krieg und Gefangenschaft, nach Berlin zurück. Die Lebensentwürfe von Willi und seiner Frau Margit scheitern, bevor sie überhaupt umgesetzt werden konnten. Judy hingegen wächst in die junge DDR hinein – in eine Atmosphäre, die im antifaschistisch geprägten Prenzlauer Berg-Milieu noch vom Traum an die gelebte Utopie des Sozialismus erfüllt ist. In den 1970ern macht sich in den intellektuellen Kreisen, in denen die Journalistin Judy unterwegs ist, Resignation breit - bis nach 1989 wieder alles anders wird. 
Autorin Jutta Voigt lässt Zeit- und Familiengeschichte gekonnt ineinanderfließen. Sie erzählt aus der Sicht der verschiedenen Protagonist:innen, streut Briefe und Originalzitate ein und gibt so spannende Inneneinsichten in die Ost-Berliner Kulturszene, in der der Wunsch nach einer gerechteren Welt mit der DDR-Realität in ständigem Widerspruch steht. Für alle, die sich für die jüngere deutsche Geschichten interessieren. 
Margarete Barth-Specht

Astrid van Nahl, Voigt, Jutta: Wilde Mutter, ferner Vater. Jutta Voigt. Berlin: Aufbau 2022. 255 S. ; 22 cm. ISBN 978-3-351-03799-4, geb.: 22,00 Euro

Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat

Sieben heiter- ernste Nachtgespräche zu persönlichen, politischen und gesellschaftlichen Themen zwischen DDR und Heute.

Annett (Jg. 1964), Peggy (Jg.76) und Wenke (Jg. 1978), alle drei in kreativen Berufen tätig, sind seit 2012 befreundet. Ein Lektor des Hanser-Verlages ermutigt sie zu diesem besonderen Projekt: Lockere, konzentrierte Gespräche zu Themen, die sie als "Ostfrauen" beschäftigen. Da ist auch für die Westfrau vieles dabei: Herkunft und Wohnen in der Kindheit in Dresden, Rostock und Magdeburg, Reflektion des Transformationsprozesses nach der Wende, Kassensturz und Eigentumsverhältnisse, Frauenbewegung in Ost und West. Spannend, wenn ein Flugblatt aus dem November 1989 erneut gelesen und auf die Erfüllung der damaligen Forderungen überprüft wird. (Dazwischen ein Rezept für Rote Beete Suppe). Weiter geht es mit dem Rückblick auf solidarische Ideale, wie lesen wir heute den Begriff "Völkerfreundschaft", wie "Kollektiv" und "Solidarität". Das alles durchwebt mit persönlichen Erfahrungen und wichtigen Befunden (etwa dem rapiden Geburtenrückgang nach 1989). Wie können wir bei allen gegenwärtigen Problemen Demokratie leben, ohne Empörung, aber mit Großzügigkeit und auch leisen Tönen?

Ein erfrischender, unterhaltsamer Beitrag zum aktuellen Ost-West-Dialog aus Frauensicht. Mit informativen und lustigen Fußnoten sowie zahlreichen Literaturtipps. Gabriele Kassenbrock

Gröschner, Annett: Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat. Annett Gröschner, Peggy Mädler u. Wenke Seemann. München: Hanser 2024. 317 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-446-27984-1, geb.: 22,00 Euro

Wenn Sie sich noch einen umfassenderen Einblick in die Literatur verschaffen wollen, schauen Sie gern auf der Eliport-Website.

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