Politischer Glauben und gläubige Politik

Politischer Glauben und gläubige Politik
Die Rolle der Religion in der US-Präsidentschaftswahl
Religion ist ein Einflussfaktor in der US-amerikanischen Politik. Die Bewerber positionieren sich im Präsidentschaftswahlkampf unterschiedlich.
03.09.2024
epd
Von Konrad Ege (epd)

Washington (epd). In den USA haben Religion und Glaube Gewicht in der Politik, und das im Kontext der unterschiedlichen Weltanschauungen von Schwarz und Weiß. Weiße evangelikale und protestantische US-Amerikaner stellen seit Jahren den harten Kern der Donald-Trump-Wählerschaft. Schwarze Christen wählen überwiegend demokratisch. Im laufenden Präsidentschaftswahlkampf wollen beide Seiten punkten bei Gläubigen.

Rund 60 Prozent der US-Bevölkerung bekennen sich zum Christentum. Bei einer Umfrage des „Pew Research Center“ sagten 48 Prozent der Befragten, es sei ihnen wichtig, dass ein Präsident einen „starken religiösen Glauben“ hat. Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris ist Baptistin, ihr Vize Tim Walz Lutheraner. Trump ist nach eigener Aussage in der Presbyterianischen Kirche konfirmiert worden, gilt aber mittlerweile als konfessionslos. Gleichwohl ließ er wissen, „Gott allein hat das Undenkbare verhindert“ bei dem Attentatsversuch im Juli. Sein Vize J.D. Vance ist Katholik, ebenso der amtierende Präsident Joe Biden.

Bei den Nominierungsparteitagen wurde viel gebetet. Bei den Republikanern traten der konservative Baptistenprediger Franklin Graham ans Mikrofon, ein römisch-katholischer und ein orthodoxer Erzbischof sowie ein Pastor der konservativen „Lutherischen Kirche - Missouri-Synode“. Bei den Demokraten beteten Pastor Amos Brown von Harris' Heimatkirche in San Francisco, ein katholischer Kardinal sowie ein Hindu-Geistlicher.

Harris sprach Ende August bei der Generalversammlung der rund drei Millionen Mitglieder zählenden African Methodist Episcopal Church, einer noch zu Zeiten der Sklaverei gegründeten schwarzen Kirche. Die amtierende Vizepräsidentin und Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten bedankte sich per Video, dass die Versammelten „hart arbeiten“, um „Seelen in die Wahlkabinen zu bringen“.

Ein Verband schwarzer Geistlicher tat sich unter dem Namen „Black Church Political Action Committee“ zusammen, um eine Million Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren für Harris. Der Informationsdienst Religion News zitierte ein Mitglied des Direktionsrats des Komitees, Bischöfin Leah Daughtry, Jesus stehe „nicht auf dem Stimmzettel, jedoch seine Werte, und dafür kämpfen wir“.

Auf der Gegenseite steckt die „Faith and Freedom Coalition“ nach eigenen Angaben 62 Millionen Dollar in den Wahlkampf für Trump. 6.000 Freiwillige und 4.000 bezahlte Helfer würden rund zehn Millionen evangelikale Wähler kontaktieren, erklärte Coalition-Direktor Ralph Reed im Informationsdienst Daily Wire. Die „massive Anstrengung“ werde helfen: Trump habe 2020 in den Staaten Wisconsin, Arizona und Georgia nur um 20.000, 10.000 beziehungsweise 11.700 Stimmen verloren.

Ryan Burge ist Baptistenpastor, Statistiker und Politikwissenschaftler an der Eastern Illinois University in Charleston, Illinois. Zu Erfolgsaussichten der Demokraten bei weißen Gläubigen äußert er sich skeptisch. In der Vergangenheit seien religiöse Menschen wichtig gewesen in liberalen Bewegungen wie der Bürgerrechtsbewegung, sagt er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Heute seien weiße Evangelikale der bedeutendste religiöse Wählerblock. 40 Prozent der Trump-Wähler seien weiße Evangelikale.

Erhebungen zeigten, dass häufige Kirchgänger eher zu konservativen Ansichten neigen, erklärt Burge. Rund 25 Prozent der US-Amerikaner, besonders junge Menschen, glaubten heutzutage an „nichts Bestimmtes“. Viele sind politisch liberal eingestellt, gingen aber nicht so regelmäßig zum Wählen wie Konservative.

Als steuerbefreite Organisationen dürfen Kirchen nicht wahlpolitisch aktiv sein. Allerdings dürfen sie zu sozialen und politischen Fragen Stellung beziehen. Katholische Bischöfe betonen häufig, wie wichtig der Kampf gegen Abtreibung und für Lebensschutz sei. Direkte Wahlempfehlungen werden vermieden. Das Verflechten von Religion und Politik kollidiert eigentlich mit einer Passage in der US-Verfassung, ein „religiöser Bekenntnisakt“ dürfe nicht Bedingung für ein Amt sein.

Jüdische US-Amerikaner wählen überwiegend demokratisch. Muslime ebenfalls. Nach Angaben des muslimischen Lobbyverbands Emgage haben bei der Wahl 2020 rund 1,1 Millionen Muslime ihre Stimme abgegeben. 86 Prozent hätten laut Nachwahlbefragung für Joe Biden gestimmt und sechs Prozent für Trump. Der Krieg in Gaza und Bidens pro-israelische Haltung gefährden offenbar diesen Bund.

Wirkliche Beweggründe bei der Stimmabgabe sind schwer zu messen. Burge äußert den Verdacht, dass manche Konservative nicht unbedingt religiös motiviert seien. Sie seien vielmehr gegen gleichgeschlechtliche Ehe oder Anerkennung von Transpersonen und bemühten die Bibel lediglich, um ihre Haltung zu rechtfertigen.