TV-Tipp: "Toni, männlich, Hebamme: Baby im Korb"

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9. August, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Toni, männlich, Hebamme: Baby im Korb"
Dramen mag der Mensch nicht so gern, weder im Leben noch im Fernsehen, deshalb stecken die Sender schwierige Themen gern in eine Krimihandlung. Mit Komödien klappt das auch, ist aber viel schwieriger.

Die von Sebastian Stojetz konzipierte ARD-Freitagsreihe "Toni, männlich, Hebamme" ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie so etwas funktionieren kann. Schon allein die Idee, den Titelhelden als Entbindungspfleger einen typischen Frauenberuf ausüben zu lassen, war ungewöhnlich, zumal die ähnlich sozial oder medizinisch engagierten Hauptfiguren der anderen im Auftrag der ARD-Tochter Degeto produzierten Reihen ausnahmslos weiblich sind ("Eifelpraxis", "Billy Kuckuck", "Praxis mit Meerblick"). Anfangs lebten die Geschichten dank der unerklärten Liebe zwischen dem verheirateten Toni Hasler und seiner Praxispartnerin, der Gynäkologin Luise Fuchs, vor allem vom bewährten Dreiecksschema. Das war durchaus amüsant, weil auch Leo Reisinger und Wolke Hegenbarth ein gutes Team ergaben: er oberbayerisch sympathisch, sie preußisch diszipliniert und distanziert. 

Nachdem sich die Reihe etabliert hatte, blieben Stojetz und Co-Autorin Sibylle Tafel, die alle Filme inszeniert hat, der unterhaltsamen Verpackung treu, auch wenn mitunter allein Frederic Linkemann als Tonis WG-Partner Franzl und witziger Ritter von trauriger Gestalt für die heiteren Elemente sorgte. Die Episodenthemen wurden allerdings deutlich anspruchsvoller: Mal drohte Toni eine Anklage wegen grob fahrlässiger Körperverletzung, weil bei einem Säugling mehrere Rippenbrüche festgestellt worden sind ("Sündenbock", 2020), mal wurde einer jungen Frau mit Down-Syndrom der Berufswunsch Hebamme verwehrt ("Eine Klasse für sich", 2023); und zwischendurch wurde Tonis Teenager-Tochter schwanger ("Nestflucht", 2021). 

Es ist daher umso bedauerlicher, dass die Degeto die Reihe nicht fortsetzen will. Offiziell wird das Ende mit einer finanziellen Umschichtung erklärt: Die ARD-Tochter braucht das Geld, um Serien für die ARD-Mediathek zu produzieren. Das dürfte jedoch nur die halbe Wahrheit sein: Nach einem guten Anfang mit 4,5 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern haben sich die Quoten kontinuierlich nach unten bewegt; zuletzt lagen die Zahlen unter der Drei-Millionen-Grenze. Dass die Episoden neun und zehn nun im August ausgestrahlt werden, passt ins Bild: Im Sommer zeigen die Sender auf ihren Filmsendeplätzen nur Wiederholungen, weil viele Menschen im Urlaub sind oder ihre Fernsehabende erst später beginnen. Das Quotendiktat ist zwar nachvollziehbar, aber natürlich ein bedenkliches Signal für Autorinnen und Autoren, die anspruchsvolle Geschichten erzählen wollen. Dabei ist Stojetz und Tafel die Kombination von Comedy und Drama auch in "Baby im Korb" wieder sehr gut gelungen, selbst wenn sich die beiden Ebenen inhaltlich kaum überschneiden. 

Eines Abends entdeckt Luise vor ihrer Haustür einen Korb mit einem Säugling. Es ist kurz vorm Wochenende, also beschließt die Ärztin, sich bis Montag selbst um das Baby zu kümmern. Prompt bewirkt das Kind ein kleines Wunder: Luises heftig kriselnde Beziehung zum Streifenpolizisten Sami (Marcel Mohab) bekommt plötzlich einen neuen Sinn; kurz zuvor hatte sie Toni noch zu verstehen gegeben, er sei ihre wahre Liebe. Der wiederum findet mit ein bisschen detektivischem Engagement heraus, wer die Mutter des Kindes ist: Charlotte (Michelle Barthel) ist angehende Maskenbildnerin und steht kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung. Weil sie Toni nicht ins Haus lassen will, steigt er kurzerhand durch ein Kellerfenster ein und erkennt nun, warum in Charlys Dasein buchstäblich kein Platz für ein Kind ist: Sie hat das Eigenheim ihrer verstorbenen Oma von oben bis unten mit Krimskrams zugemüllt. Jetzt nimmt die Handlung eine dramatische und schließlich fast tragische Wende: Die von Toni über die Lebensumstände der Kindsmutter informierte Luise will das Baby nicht mehr hergeben und informiert das Jugendamt. 

Die komische Ebene hat ebenfalls einen ernsten Kern: Um das "schwarze Eis" aus dem Herzen seiner um eine alte Freundin trauernden Mutter Malu (Charlotte Schwab) zu schmelzen, treibt Franzl ihre Jugendliebe auf. Ritschie (Helmfried von Lüttichau) entspricht allerdings keineswegs dem Bild des Bohemiens aus Malus Erzählungen, sondern eher der Kategorie "Vorstadt-Strizzi"; auf eine Auffrischung der Liaison lässt er sich prompt nur des Geldes wegen ein. Gespielt sind die komischen wie dramatischen Szenen vortrefflich, zumal Michelle Barthel ihre Rolle sehr glaubwürdig als Mischung aus Opfer einer Übermutter und Furie anlegt.