Bischöfin Fehrs wirbt für ein "neues Wir"

Bischöfin Kirsten Fehrs
epd-bild/Christian Ditsch
Die amtierende Ratsvorsitzende, Bischöfin Kirsten Fehrs, hielt die Festrede beim Johannisempfang der EKD in Berlin.
Sommerempfang der EKD
Bischöfin Fehrs wirbt für ein "neues Wir"
Für ein "neues Wir" hat die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, in ihrer Rede anlässlich des Johannisempfangs der EKD in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin geworben. Dazu gehöre das aufeinander Hören genauso wie der kontroverse Diskurs, so heißt es in der Presseerklärung der Nordkirche vom 26. Juni.

In ihrer Rede anlässlich des Johannisempfangs der EKD appellierte die amtierende Ratsvorsitzende den demokratischen Diskurs nicht aufzugeben.
"Wenn wir Hass und Hetze den Boden entziehen wollen, müssen wir mehr voneinander verstehen." Eine gute, lebendige, demokratische Kultur lebe davon, für die Probleme eine Sprache zu finden und die Dinge beim Namen zu nennen. Sie lebe davon, in ernsthafte Auseinandersetzung zu gehen – und dabei den guten Ton zu wahren. In der Kirche wie in der Politik, konstatierte die amtierende Ratsvorsitzende.

Zur Wahrhaftigkeit gehöre es dabei, Konflikte klar zu benennen. Dazu zähle auch ein klares Nein zu antisemitischen und rassistischen Positionen. "Eine Ideologie der völkischen Überlegenheit ist mit christlicher Haltung nicht vereinbar. Das ist so und das bleibt so. Auch weil diese Parteien mit Hassrede und Fake News ganz gezielt den demokratischen Diskurs zerstören", so Fehrs.

Weil es für die tiefgreifenden Problemlagen, die wie ein gordischer Knoten unlösbar scheinen, keine einfachen Lösungen geben kann, gerade deswegen gelte, den demokratischen Diskurs nicht aufzugeben. Beispielhaft dafür sei die von Diakonie und EKD ins Leben gerufene Initiative #VerständigungsOrte. "Wenn etwas jetzt gebraucht wird, dann eine Offensive zum Dialog: Räume, in denen verschiedenste Menschen unterschiedlichste Meinungen teilen, Reden schwingen, Ohren betäuben, Streit aushalten – und so Gott will, kilometerweite Entfernung überwinden", sagte die amtierende Ratsvorsitzende.

Vor mehreren hundert Gästen aus Politik, Gesellschaft und Kirche, darunter auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, hob Bischöfin Fehrs insbesondere die Bedeutung der Grundrechte hervor. Es gehe um tragfähige Formen des Zusammenlebens, in denen das Individuum auch in anspruchsvollen Lebenssituationen nicht unter die Räder kommt. Für die Kirche zähle sowohl die Religionsfreiheit dazu ebenso wie das Grundrecht auf Asyl, das derzeit enorm unter Druck stehe.

Kirchenasyl schützt die Schwächsten

Das Kirchenasyl als Zuflucht für Menschen, deren Asylantrag in Deutschland abgelehnt wurden, bleibe dabei ein wichtiges Instrument: "Mit großer Sorge sehe ich, dass dieses Kirchenasyl mancherorts nicht mehr respektiert wird. Wir wissen, dass es politisch umstritten ist. Genauso wissen wir aber auch, dass dieses Instrument zum gesellschaftlichen Frieden beiträgt. Es gibt den schwächsten Gliedern der Gesellschaft eine Chance, dass ihr Anliegen geprüft wird. Kirchenasyl ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Daher mein dringender Appell an dieser Stelle: Lasst uns über die Diskussion um den Schutz der Grenzen den Schutz der geflüchteten Menschen nicht vergessen!"

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche kennt derzeit fast 600 Kirchenasyle bundesweit. Zuletzt hatte im Mai ein Fall aus Niedersachsen Schlagzeilen gemacht, als eine russische Familie aus einem Kirchenasyl nach Spanien abgeschoben wurde. Im Februar war in Rheinland-Pfalz ein Syrer aus dem Kirchenasyl nach Dänemark abgeschoben worden. Seit dem vergangenen Sommer kam es bundesweit zu mehreren Fällen, in denen Kirchenasyle durch Behörden beendet wurden.

Zu den sogenannten Dublin-Fällen existiert eigentlich seit 2015 eine Absprache zwischen Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Es geht dabei um Rückführungen in europäische Länder, in denen Geflüchtete zunächst Asyl beantragt haben. Kirchengemeinden reichen in solchen Fällen ein Härtefall-Dossier ein, das dann geprüft wird.

Nachhall der ForuM-Studie

Bischöfin Fehrs ging in ihrer Rede auch auf die ForuM-Studie ein. Die Studie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie habe dem Selbstbild, eine allerorten harmonische, geschwisterliche, demokratische Gemeinschaft zu sein, die Schwächeren Schutz gewähre, verstörende Risse beigefügt. "Nachhaltig verstörend, hoffe ich. Denn auf den 800 Seiten, in denen viele betroffene Menschen ihre Erfahrungen darlegen und als Co-Forschende evangelische Strukturen reflektieren, sehen wir uns Seite für Seite einem eklatanten Versagen gegenüber, das weder zu beschönigen ist noch Anlass gibt, zur Tagesordnung überzugehen", so die amtierende Ratsvorsitzende.

Im Beteiligungsforum, in dem Betroffenenvertreter:innen und kirchliche Vertreter:innen arbeiten, werde nun mit klaren Rollen gemeinsam um die notwendigen Veränderungen gerungen. "Im Ton respektvoll-freundlich, aber in der Sache klar, so arbeiten wir hart am Detail. Wir stemmen uns dem evangelischen Versagen und der Amoralität entgegen." An der Festveranstaltung nahmen auch Betroffenenvertreter:innen sowie die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, teil. 

Besondere Aufmerksamkeit lag beim diesjährigen Johannisempfang aus Anlass des 500-jährigen Jubiläums des Evangelischen Gesangbuches auf der Musik. Gestaltet wurde das Festprogramm, zu dem Prälatin Anne Gidion eingeladen hatte, durch Kirchenmusikdirektor Kilian Nauhaus sowie den Staats- und Domchor Berlin unter der Leitung von Professor Kai-Uwe Jirka.